Eifel-Jagd
ich, »jetzt kommt eine
ScheiÃzeit, jetzt müssen wir zusammenhalten.«
Ich hockte da bis etwa Mitternacht, und ich sah sie in den
hellerleuchteten Räumen umhergehen, Schränke öffnen und schlieÃen. Dann hörte
ich die Haustür zuklacken. Das wiederholte sich viermal. Sie schleppte wohl die
Koffer heraus und verstaute sie im Auto. Als sie zu mir kam, war es zwanzig
Minuten nach Mitternacht.
»Fühlst du dich auch so furchtbar?« fragte sie.
»Ich weià nicht, wie ich mich fühle.«
»Ich will dir bestimmt nicht weh tun.«
»Sieh mal einer an.«
Sie drehte sich herum und ging wieder. Dann fuhr sie vom Hof.
Ich konnte diese Stille nicht mehr aushalten, ich ging in das
Haus, hinauf in mein Arbeitszimmer und schaltete die kleine Anlage auf
Disc-Betrieb. Ich wollte Sinatra hören, nur Sinatra. Wenn schon Schmalz, dann
bitte ein Doppelzentner. Er fing mit New
York, an und so etwas wie flüchtige Hoffnung tauchte auf. Man muà Krisen umfunktionieren,
zu Chancen machen, aber spätestens bei Strangers
in the night hatte ich einen überdimensionalen Kloà im Hals, und ich
dachte, das Atmen könne plötzlich aufhören, einfach so. »And now the end is near ...«
röhrte Old Blueeye. ScheiÃe!
Natürlich hatte ich geglaubt, es reicht für ein Leben. Aber für
ein Leben reicht es eben nie. My way verklang
in einem Haufen süÃlich agierender Streicher. Bei Summerwind überlegte ich, es sei das Beste, die Eifel für immer zu
verlassen, aus und vorbei. Es folgte Moon
River, und irgendwie wurde es triefig und ging mir gewaltig auf den Geist.
»Whatâs now my love?« fragte Sinatra ziemlich fröhlich, und ich muÃte ihm recht
geben. Andere Mütter haben auch schöne Töchter.
Endlich konnte ich weinen, und meine erste Reaktion war: Sieh
an, ich lebe noch! Und weil Paul und Willi neben der Couch hockten, auf der ich
bäuchlings lag, sagte ich schniefend: »Also, daà das klar ist, hier ist ab
sofort das Paradies für Junggesellen. Weiber sind nur noch erlaubt, wenn sie
vorher schriftlich hinterlegen, daà sie spätestens nach drei Tagen und zwei
Nächten kommentarlos die Segel streichen!« Ich hörte wieder zu, als Blueeye Fly me to the moon sang und war
zufrieden. Ich hatte gewuÃt, daà irgend etwas in dieser Art geschehen würde.
Als Sinatra bei Iâve got
you under my skin angelangt war, hatte ich die Nase von mir selbst voll.
Ich rupfte die kleine Anlage aus dem Bücherregal und schmetterte sie gegen die
Wand. »Das muÃte einfach sein«, erklärte ich meinen Katzen, die längst in Panik
aus dem Raum gewischt waren.
Ich konnte nicht schlafen und saà morgens um fünf Uhr wieder am
Teich. Es hatte keinen Tau gegeben, die Luft war lau, der Himmel wolkenlos. Das
Licht fiel schräg über das Kirchendach auf das Wasser, und ich konnte fast auf
den Grund sehen. Die weiÃe und die rote Seerose hatten ihre ersten Blätter ins
Helle geschickt, die Binsen standen ernsthaft wie kleine Soldaten,
Schlupfwespen landeten auf dem Moorstreifen, ein KohlweiÃling taumelte
lebenstrunken über der Wasserfläche. Die blauschimmernde Königslibelle hatte
ihren Motor aufgeheizt und ging daran, ihr Revier zu verteidigen, ihre
Metallic-Lackierung schimmerte wie eine edle Rüstung.
Satchmo erschien auf der Bildfläche, gefolgt von Paul und
Willi, die mit weiten Augen im Stil zweier netter Onkels auf den Kleinen
achteten und dabei so behutsam auftraten, als könne Satchmo jederzeit wie eine
Fata Morgana verschwinden.
Satchmo war nicht älter als neun Wochen, eine Handvoll Eifler
Scheunenkatze mit zwei fast schwarzen Streifen parallel zum Rückgrat. Sein
Köpfchen wirkte viel zu groà und plustrig für den spärlichen, dünnen Hals, von
hinten sah das so aus, als würde er gleich vornüberfallen. Paul schien Willi
zuzublinzeln, als wolle er sagen: »Schau dir den Dreikäsehoch an!« Dann
verschwanden sie in Richtung Kellerfenster, weil Satchmo eben zum Kellerfenster
wollte. Auf dieser Strecke war das Gras nicht gemäht und sicher zwei Monate
alt. Von Satchmo war absolut nichts mehr zu sehen, nur wenn er eine Fliege oder
etwas ähnlich Furchterregendes zu haschen versuchte, kam er bei seinen
Bocksprüngen in Sicht, um dann wieder in die grüne Hölle zu tauchen.
Ich hatte Satchmo von Sabine und Thomas vom Wagnerhof in
Niederehe
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