Eifel-Liebe
Sorgen zu machen. Nur der Junge, der macht mir Sorgen. Der geht daran kaputt, das ist mal sicher. Und Kinsi ist weg und kein Mensch weiß, wo er steckt. Das ist auch noch nie vorgekommen.« Sie schwieg und lächelte unsicher.
»Das klingt nach einer sehr privaten Geschichte, das klingt so, als könnte ich überhaupt nichts für Sie tun. Sie haben einen Haufen Sorgen. Aber ich fürchte, ich kann Ihnen nicht helfen.«
Sie war maßlos enttäuscht, um ihren Mund zuckte es.
Da setzte ich schnell hinzu: »Wer ist denn der Junge, der da kaputtgeht?«
Sie neigte ihren Kopf und antwortete leise: »Rolf, Rolf Hennef heißt er. Wir sagen immer nur Rolli.«
»Wie kommen Sie eigentlich auf mich?«
»Sie haben doch ein Buch geschrieben. ›Wenn du alt wirst in Deutschland‹. Das waren doch Sie. Und da steht drin, dass Sie in Altenheimen nachgeforscht haben, wie es alten Leuten dort geht. Und da habe ich gedacht, dass Sie auch in dieser Sache … na ja, mal nachforschen könnten.«
»Ihre Sache ist aber eine sehr private Sache, eine Familiengeschichte vermutlich. So etwas mache ich grundsätzlich nicht.«
»So!«, stellte sie zornig fest. Die Kinnpartie wurde hart wie bei einem Mann. »Ich dachte ja auch, dass ich das bezahle. Ich meine, Sie müssen ja bezahlt werden. Ich dachte, Sie gucken sich das an und forschen nach und ich zahle Ihnen eintausend auf die Hand. Vorher meinetwegen.«
Ich fühlte mich flüchtig an Philip Marlowe erinnert und musste grinsen. »Ich bin aber kein Privatdetektiv.«
»Tausendfünfhundert«, sagte sie flach, als säßen wir bei einer Partie Poker.
Ich stellte sie mir mit ihrem Sparbuch vor einem Bankschalter vor, wie sie das Geld einpackte. »Oma Ohler, das geht nicht. Ich bekomme Geld von Tagezeitungen und Magazinen, wenn sie etwas von mir drucken. Ich nehme nie privates Geld, ich bin nicht bestechlich, mich kann man nicht kaufen. Was Sie brauchen, ist ein privater Ermittler.«
»Die sind aber teuer!«, warf sie ein. »Ich habe schon rumgefragt.«
Einen Moment wartete ich, ich wollte, dass sie überlegte. »Sie haben Kummer bis zum Hals, nicht wahr?«
Sie nickte und griff statt einer Antwort wieder zu dieser blöden kleinen Handtasche.
»Na gut, erzählen Sie. Fangen Sie mit einer Person an. Ihrer Enkelin zum Beispiel. Die anderen kommen von selbst dazu.«
»So geht es«, murmelte sie. »Also, meine Enkelin ist die Anna, sie ist jetzt zweiunddreißig Jahre alt und Sozialarbeiterin bei der Caritas. Eigentlich hat sie Krankenschwester gelernt. Sie ist die Tochter meiner Tochter. Die heißt Agnes Vaals. Aber das ist nicht wichtig. Anna lernte einen jungen Mann kennen. Bei einer Disco. Das ist der Rolli. Der ist jetzt fünfunddreißig. Er ist ungelernter Maurer, arbeitet aber als Polier. Er ist gut und nett zu mir. Erst lebten die beiden in einer Mietwohnung in Manderscheid. Er arbeitete wie verrückt. Und er unterstützte es, dass die Anna umschulte und Sozialarbeiterin wurde. Sie haben zwei Kinder, einen Sohn, eine Tochter. Sieben und neun Jahre alt. Die ersten Jahre ging alles gut, bis das jetzt vor ein paar Monaten irgendwie knallte, sozusagen explodierte. Ich weiß ja nicht genau, was dahinter steckt, aber …«
»Bitte, in der Reihenfolge bleiben. Wann explodierte das genau und was war das für eine Explosion?«
»Das ist jetzt vielleicht acht, neun Wochen her. Rolli hat einen Chef, das ist der Besitzer der Bauunternehmung, bei der Rolli arbeitet. Der … Nein, halt, ich erzähle es anders. Die ersten Jahre ging das mit den beiden sehr gut, die Kinder sind ganz prächtige Kinder. Dann wurde mir klar, dass die Wohnung in Manderscheid zu klein wurde. Mein Mann ist schon vor fünfzehn Jahren gestorben, ich lebe allein in unserem Haus. Meine Tochter hat mit ihrem Mann auf dem rückwärtigen Teil meines Grundstücks ein Haus gebaut, so blieb die Familie zusammen. Ich hocke da also allein in meinem Haus und denke: Wieso bin ich allein, warum sollen die Kinder nicht hier einziehen? Ist doch Platz genug. Also habe ich mit Rolli geredet, ob sie nicht Lust haben, in mein Haus zu ziehen. Er war begeistert, machte Pläne. Er wollte mein ganzes Haus umbauen, neue Heizung, neue Bäder, all solche Dinge. Mir war das recht. Und ich habe eine Grundschuld auf das Haus aufgenommen. Hundertzwanzigtausend Euro. Rolli legte los. Alles ganz allein. Und jetzt kommt dieser Chef vom Rolli ins Spiel. Der hat die Baufirma und kriegt alles Baumaterial billiger. Rolli konnte alles bei ihm
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