Rachegott: Thriller
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Freitag, 17. August 2012
Ich werde sie töten. Ich werde sie definitiv töten. Sie hat es nicht anders verdient.
Der Mörder befand sich in Knutbühren , dem westlichsten Stadtteil Göttingens. Vor ihm erstreckte sich das Haus der Familie Muster. Dort lebten Gertrud und Herbert mit ihrer achtjährigen Tochter Sabrina. Herbert war ein erfolgreicher Unternehmer. Gertrud leitete ein kleines Verlagshaus in der Innenstadt. Sabrina besuchte die dritte Klasse der Leineberg -Grundschule.
Der Mörder wusste alles über die Musters. In den letzten Wochen hatte er sie fast jeden Tag beobachtet. Er wusste genau, wann die drei morgens das Haus verließen und wann sie jeweils zurückkehrten. Er wusste sogar, wann sie für gewöhnlich ins Bett gingen. Diese Gewohnheiten würden es ihm sehr leicht machen, Gertrud Muster zu töten. Im Grunde konnte er sich aussuchen, wie und wo er diesen Mord beging.
Für mich gibt es keinen größeren Segen, als die Gewohnheiten der Menschen. Lange Zeit war ich selbst ein Gewohnheitstier. Doch mittlerweile bin ich mir darüber bewusst geworden, wie angreifbar ich durch diesen Lebensstil war. Wie leicht ist es für einen meiner Feinde, meine Mülltonne zu durchsuchen und somit an meine DNA zu kommen? Er könnte sie an Lebensmittelresten oder Hygieneartikeln finden. Er könnte sie sogar an einem stinknormalen Taschentuch finden. Oder – und das ist für mich das erschreckenste Beispiel von allen – er könnte meinen Speichel einem Kaugummi entnehmen, den ich beim Spazierengehen ausgespuckt habe.
Natürlich macht das niemand. Schließlich ist damit ein gewisser Ekel verbunden. Doch was wäre, wenn eine Person von blindem Hass angetrieben würde? Wenn diese Person nichts mehr zu verlieren hätte? Dann könnte sie die DNA eines unschuldigen Menschen an einem Tatort hinterlassen und das Leben dieses Menschen für immer ruinieren.
Es ist so leicht, die intimsten Details einer Person in Erfahrung zu bringen. Man muss sich nur ein wenig geschickt anstellen und schon kann man an alle Informationen gelangen, die man braucht.
So wie ich es gemacht habe ...
Der Mörder strich über den Lauf seiner Waffe. Dann trat er aus seiner Deckung hervor. Bis zu diesem Moment hatte er hinter einem Strauch gestanden und das Haus der Musters beobachtet. Nun bog Gertrud in ihrem BMW in den Deneweg ein und fuhr anschließend vor die Garage, die direkt neben ihrem Haus lag.
Jetzt werde ich einen Menschen ermorden! Jetzt werde ich zum Hassobjekt! Zum Gejagten! Und ich werde es genießen.
Bis zum Schluss ...
Gertrud Muster trommelte mit den Fingern auf dem Lenkrad ihres Autos herum. Sie war in bester Laune, weil sie heute einen begabten jungen Autor in ihr Verlagsprogramm hatte aufnehmen können.
Die 52-Jährige hatte blonde Haare und eine stattliche Figur. Sie trug ein gelbes Kleid zu schwarzen Schuhen. Auf der Nase thronte eine moderne Sonnenbrille.
Als sie soeben in ihrer Einfahrt hielt, betätigte sie am Armaturenbrett den Knopf für das Garagentor. Dieses fuhr daraufhin langsam in die Höhe. Da Gertrud einige Sekunden warten musste, lehnte sie sich in ihrem Sitz zurück und schloss die Augen. In Gedanken sah sie sich bereits mit Herbert auf der Party ihrer Bekannten tanzen. Diese Feier sollte gegen 19 Uhr beginnen. Selbstverständlich würden nur ausgewählte Gäste erscheinen. Fünfzig hohe Tiere der Stadt würden sich die Ehre geben.
Es liegt ein richtig toller Abend vor mir. Das spüre ich. Ich werde ihn genießen.
In diese Gedanken vertieft, zuckte Gertrud plötzlich zusammen. Ein Klopfen ertönte neben ihr. Sie riss die Augen auf und blickte nach links. Dort sah sie einen Mann gegen die Seitenscheibe hämmern.
„Was wollen Sie?!“, fauchte sie ihn an. „Verschwinden Sie von hier! Das ist ein Privatgrundstück! Hauen Sie sofort ab! Sonst rufe ich die Polizei!“
Der Mann deutete ihr an, die Scheibe herunterzukurbeln. Offenbar wollte er in Ruhe mit ihr sprechen. Aber Gertrud schüttelte den Kopf. Sie zeigte ihm den Vogel und griff zum Schaltknüppel. Dann wollte sie in ihre Garage fahren, doch der Mann hob eine Waffe und presste deren Mündung an die Scheibe.
Ehe Gertrud überhaupt realisierte, was geschah, drückte der Kerl bereits eiskalt ab. Das Glas zersplitterte. Die Kugel schlug in Gertruds linke Schläfe ein, zerfetzte ihr Gehirn und trat über dem rechten Ohr wieder aus. Anschließend bohrte sie sich in die Kopfstütze des Beifahrersitzes.
Im Bruchteil einer Sekunde sackte
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