Eifel-Liebe
kaufen. Und der Chef machte bei mir die Bauleitung, mit Anna zusammen. Ich fand es von Anfang an komisch, dass Rollis Chef morgens um acht vor der Tür stand und die Anna ihn einließ. Sie hatte oft fast nichts an. Aber ich habe nichts gesagt. Die müssen ja wissen, was sie tun, habe ich gedacht. Heutzutage ist eben alles anders als zu meiner Zeit. Jedenfalls endete das so, dass …«
Ich musste sie stoppen. Sie berichtete tatsächlich von einer miesen privaten Familienkeilerei. »Oma Ohler, genau so ein Fall ist nichts für mich. Noch einmal: Als Journalist kann ich da nicht helfen. Gleich werden Sie erzählen, dass der Chef von Rolli bei Rollis Frau landete …«
»Ja, ja, ja«, unterbrach sie mich hart. »Nicht nur das, er landete in meinem Haus. Und er löste die Grundschuld bei der Bank ein und sagte angeberisch: Oma, das ist doch egal. Für dich ist bis an dein Lebensende gesorgt. Ich kriegte einen Brief, in dem steht, dass ich Wohnrecht habe bis an mein Lebensende und dass er aufkommt für ein Altenheim und die Kosten der Pflege, wenn ich eine brauche.« Oma Ohler sprach voller Zorn.
»Was macht Rolli jetzt?«
»Der hat wieder eine Wohnung in Manderscheid und redet nicht mehr. Mit keinem, nicht mal mit mir. Er geht wie ein Gespenst rum, sagen alle.«
»Was ist mit Anna?«
»Die sagt, es wäre alles schön und in Ordnung und ich bräuchte mir keine Sorgen zu machen. Mein Leben lang nicht mehr. Und sie sei glücklich mit dem … mit diesem … Rainer Bliesheim.«
Ich unterbrach erneut: »Der Mann hat sich scheinbar eingekauft, so einfach ist das. Und niemand kann so etwas verbieten.«
»Aber das geht doch nicht! Und ich bin ja deshalb hier, weil dahinter … Da stimmt was nicht. Der Bliesheim gehört doch auch zu der Clique. Und, sicher, er hat eine Baufirma. Aber woher hat er so viel Geld, einfach mal eben so hundertzwanzigtausend Euro hinzublättern? Und außerdem ist Kinsi verschwunden.« Sie hielt sich wieder an ihrer kleinen Handtasche fest.
»Was für eine Clique? Und wer ist Kindi?«
»Nicht Kindi, Kinsi mit s. Das ist einer aus unserem Ort, einer, der vom ganzen Ort durchgefüttert wird.« Sie lächelte leicht. »Der ist wie ein Kind, obwohl er schon zweiundvierzig ist. Jetzt ist er weg.«
Sie schwieg und sah mich erwartungsvoll an, als sei diese Nachricht irgendeine besondere Reaktion wert.
Jeder Journalist kennt eine Menge Leute, die aus ganz alltäglichen Vorfällen unbedingt das große, bedrückende Geheimnis machen wollen, die unbedingt und zwanghaft Unvorstellbares träumen, als bestünde unsere Welt nur aus Betrug und Gefahr. Ich hatte diese Leute scharenweise erlebt und fast keiner hatte wirklich Bedeutsames zu berichten gewusst – aber sie alle litten unter Ängsten. Die Welt dieser alten Frau war zusammengebrochen, nichts stimmte mehr, und ihre Angst und ihre Wut waren verständlich.
»Oma Ohler, zum letzten Mal: Das ist eine höchst private Geschichte. Ihre Enkelin bringt einen neuen Mann ins Haus, der hat viel Geld und kauft Ihr Haus. Zudem sichert er Ihre Zukunft ab. Der Ehemann Rolli rennt wie ein Verirrter durch die Gegend, weil seine kleine Welt kaputtgegangen ist. Das ist privat, verstehen Sie? Da ist nichts herauszufinden. Und jetzt verschwindet noch ein Mann aus Ihrem Dorf und Sie flüstern darüber in geheimnisvollen Andeutungen, obwohl der möglicherweise auf Mallorca am Strand liegt und Tequila schlürft.«
»Der liegt nicht auf Mallorca am Strand, der ist einfach weg!«, giftete sie, stellte das Handtäschchen neben sich und atmete hastig ein und aus. Dann griff sie erneut an: »Es ist doch so, dass Kinsi immer um diesen Bliesheim herum war. Der schenkte ihm zum Beispiel zwei Euro, wenn er auf sein Auto aufpasste, obwohl da gar nichts aufzupassen war. Kinsi schleppte auch die Einkaufstaschen von Anna. Und er saß mit den beiden im Auto, wenn sie irgendwo hinfuhren. Und jetzt ist Kinsi weg, obwohl er eine Freundin in Münstermaifeld hat, verdammte Hacke! Entschuldigung. Wenn ich mich aufrege, fluche ich und das darf man ja nicht. Die Freundin hat gesagt, Kinsi wollte kommen. Das ist jetzt mehr als vierzehn Tage her und Kinsi ist einfach weg. Das ist in zweiundvierzig Jahren nicht passiert. Wieso passiert das jetzt?«
»Ich weiß nicht, warum das jetzt passiert, aber was soll ich tun …«
Sie öffnete das Handtäschchen, nahm ein kleines schwarzes Notizbuch heraus, blätterte darin und sagte dann kühl wie eine Flunder: »Zweitausend auf die
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