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Ein anderes Leben

Ein anderes Leben

Titel: Ein anderes Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Enquist
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Mund. Es ist spannend.
    So etwas ist in Hjoggböle noch nie passiert.
    Dann geht er zurück an den Anfang und lässt jeden von der Marinade kosten, die jedoch nur für die halbe Klasse reicht. Sie finden, dass es gut und ungewöhnlich schmeckt, und legen öffentlich Zeugnis darüber ab, was sie gesehen und erfahren haben.
    Außer Doppelstockschub auf Skiern ist Schneeballkrieg der einzige Sport an der Schule. Er findet in der großen Pause statt, bei Pappschnee. Weil er als lieb definiert ist, agiert er nie in der vordersten Frontlinie, bei den Mutigen. Er ist fast immer Nachschub, Munition und Tross und tut bei den Mädchen Dienst. Sie pressen Schneebälle, die auf eine Sperrholzplatte gelegt und zu den Kämpfenden nach vorn getragen werden. Sehr bald findet er den Versorgungsdienst langweilig und schafft sich eine neue Rolle, als Verräter, oder später Quisling.
    Im Norran hat man ja gelesen, wer Quisling war.
    Es geht so zu, dass er ein Brett mit fertigen, sehr harten Schneebällen nimmt, die die Mädchen aus der Klasse im Tross gemacht haben, doch statt sie den eigenen Frontsoldaten zu bringen, stürmt er mittendurch und gibt diese Munition den Feinden, die ihn daraufhin bejubeln, während seine eigenen Leute ihn verwünschen. Nach einer Weile wiederholt er die Operation, jedoch in die andere Richtung, und erntet erneut Jubel von der einen und Verwünschungen von der anderen Seite.
    Er ist jetzt als Verräter definiert. Die Mädchen in den Versorgungstruppen wollen ihm die hergestellte Munition nicht mehr gern anvertrauen, aber er wird plötzlich sehr beredt und verspricht hoch und heilig, die Eigenen nie wieder zu verraten, man vergibt ihm und vertraut ihm aufs neue Bretter mit Munition an, bis er nach einer Weile wieder zum Feind überläuft. Jubel und so weiter.
    Er befindet sich auf diese Weise als Verräter immer im Mittelpunkt, fühlt sich nie lieb und ist ganz und gar glücklich.
    Außer seinem Liebsein ist seine Schmächtigkeit bezeichnend für ihn. Man kann ihn auch rank nennen. Wenn er im Sommer badet, wird er blau und bibbert stundenlang.
    Aber: Ein einziges Mal schlägt er mit der Faust zu. Zwei Jungen aus der Klasse über ihm haben ihn in die Ecke zwischen dem Lokus und dem Holzschuppen gedrängt, sie wollen ihn mit Schnee waschen. Sie hohnlachen kalt und glücklich angesichts der schrecklichen Leiden, die sie ihm antun werden. Er hat Angst. Plötzlich schießt sein rechter Arm vor, er entdeckt zu seiner Überraschung, dass seine rechte Hand zur Faust geballt ist, sie trifft den Angreifer mit erstaunlicher Kraft auf die linke Wange, und der Verfolger stürzt zu Boden. Alle, er selbst eingeschlossen, sind unerhört verblüfft, der zu Boden Geschlagene erhebt sich unter furchtbaren Flüchen und Verwünschungen und mit immer detaillierteren Beschreibungen der Rache, die nun bevorsteht; doch nichts geschieht.
    Nichts geschieht.
    Zwei Tage später ist das eine Auge des Widersachers, er heißt Maurits, blau, und seine Backe ist stark gelb gefärbt. Seine Mutter bemerkt es während des Unterrichts und fragt, was passiert sei. Alle wissen es, alle betrachten gespannt diesen Maurits, aber er murmelt nur, dass er gefallen sei. Unerhörte Erleichterung. Es ist das einzige Mal in seinem Leben, dass er jemanden schlägt, selbst wird er hiernach auch niemals mehr geschlagen, er redet sich ein, dass er etwas gelernt hat.
    Der Vorfall ist eine Ausnahme, vielleicht.

Im Winter 1944 kommen die Finnenkinder.
    Es sind vierhundert auf einmal, dann kommen kleinere Gruppen mit einigen Dutzend; man hat die zentrale Volksschule in Bureå geschlossen und die Kinder auf Matratzen in den Klassenräumen untergebracht, das ganze Gebiet mit einem Gunnebozaun eingefriedet, damit die Kinder nicht das Kirchspiel verlausen, bevor sie entlaust werden. Die Finnenkinder neigen dazu, sich am Zaun zu scharen. Da kann der Volkshaufen sie in Augenschein nehmen. Er bittet inständig, einerseits den Erlöser, aber vor allem die Mutter, dass er sie auch anschauen darf. Er darf daraufhin einmal mit der Mutter ins Dorf fahren, nach Bureå, auf dem Gepäckträger ihres Ballonreifenfahrrads. Während sie Besorgungen macht, darf er vor dem Zaun stehen und sie betrachten.
    Dort spielt sich eine Art Handel ab, ein Münztausch. Die Finnen stehen da und reißen die Münder auf wie Vogeljunge und rufen unbegreifliche Dinge in ihrer Sprache. Sie strecken die Hände mit finnischen Münzen aus und wollen sie zu äußerst vorteilhaftem Kurs wechseln, der

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