Ein anderes Leben
statistisch Normale, findet man, in diesen Dörfern gibt es mehr Erzähler als Kuhzitzen. In Hjoggböle, das größer ist, gibt es auch mit der Zeit fünf Schriftsteller. Jedes Dorf hat seinen Autor; aber Hjoggböle erlangt seine größte Berühmtheit durch etwas anderes.
Dort ist die Komet-Mannschaft zu Hause. Genug davon.
Die meisten sind Kleinbauern. Keiner ist so vermessen, sich Landwirt zu nennen, auch Bauer hat einen Klang von Hochmut. Das Blatt der Landwirtsvereinigung wird jedoch von allen gelesen. Die Mutter nennt es herablassend die »langweiligste Zeitung der Welt«. Es ist ihre Art, sich von ihrer Herkunft als Bauerntochter zu distanzieren.
Auch sie befindet sich auf einer Klassenreise, von der auf Gammelstället geborenen Bauerntochter zur Dorfschullehrerin in Hjoggböle. Nicht viele können da mithalten!
Man hat im Dorf zwei bis vier Kühe, die Männer arbeiten im Winter im Wald, im Sommer als Stauer auf den Schiffen. Das Kind gewöhnt sich schnell daran, dass die Frauen alles bestimmen, es ist das Natürliche. Später im Leben wird er, kritiklos, behaupten, ein Kind dieses Matriarchats zu sein. Die Männer verschwinden am Morgen, kehren spät zurück, erschöpft, bitten um ein halbes Glas Wasser. So beschreibt die Mutter die Demut des Vaters sowie die allgemeinen Herrschaftsstrukturen. Die Männer werden in Stauertrupps eingeteilt, die jeden Morgen mit dem Rad die vierzehn Kilometer zum Hafen von Bureå fahren.
Der Weg ist sandig, aber die Räder haben Ballonreifen.
Um 1930 bricht dann die moderne Zeit an.
Der Vater hat mit einem Bruder zusammen einen gebrauchten Chevrolet gekauft. Der Stauertrupp drängt sich darin zusammen und teilt die Kosten. Es ist unbegreiflich. Woher hatten sie das Geld? Eines Tages gibt der Motor den Geist auf, man greift wieder zum Fahrrad. Es kann ein Fingerzeig Gottes sein.
Der Vater und motorgetriebene Fahrzeuge jetzt ein immer rätselhafteres Kapitel, das ihm in fragmentarischen Stücken von den Freunden des Toten überliefert wird. Er kauft auch ein Motorrad mit Seitenwagen, vielleicht leiht er es nur, vieles ist unklar. Dann kommen die Leichtmotorräder, da ist der Vater schon tot. Diese sogenannten Leichtgewichte sind von der Marke Sachs, achtundneunzig Kubik; im Winter, wenn es unter dreißig Grad kalt ist, wird ein Luftzylinder aus Zelluloid vor dem Gesicht benutzt, um Erfrierungen zu vermeiden. Die Kälte prallt daran ab. Das Kind träumt von dem Tag, an dem es sich den Leichtgewichtkarawanen anschließen kann, die in der Dunkelheit zwischen den zwei Meter hohen Schneewällen herangeschlingert kommen, auf dem Weg zur Arbeit oder nach Hause. Er erzählt seiner Mutter, dass er, wenn er groß ist, ein Leichtgewicht kaufen und vielleicht Vorarbeiter bei den Stauern werden will.
Sie antwortet nicht. Sie scheint sich sein Leben anders vorzustellen. Als Pfarrer oder, ein Kompromiss, dass er sich zumindest mit der Tochter von Pastor Ollikainen verheiratet, Britt-Louise, die auch rank ist, aber später Bischof Lönnebo heiratet. Es ist die Mutter, die ihn anruft und es ihm erzählt, als es geschieht.
Das Dorf ist geteilt in eine gottlose und eine geistliche Hälfte.
Die geistliche Hälfte wird von der Familie Enquist dominiert, unter Führung der Mutter gewissermaßen, die jedoch eingeheiratet hat. In der weltlichen Hälfte gibt es ein Folkets Hus, wo dem Gerücht zufolge manchmal Tanz veranstaltet wird, und eine Fußballmannschaft, die in den Vierzigern einige Jahre lang den Namen Komet trägt. Man spielt in der vierten Division, Küstenliga Nord, und ist jahrzehntelang kurz davor, in eine höhere Division aufzusteigen. Doch ist es der Mannschaft, wie allen anderen in Norrland, verboten, in die erste Division aufzusteigen. Diese ist den Mannschaften aus Stockholm vorbehalten, was die Norrländer Generation um Generation mit Hass erfüllt. Die Komet-Mannschaft ist jedoch nahe daran, in die dritte Division aufzusteigen. Dieses nahe daran erfüllt die Vorstellungswelt der Jugendlichen, nicht nur die der Gottlosen in Västra, sondern insgeheim auch die der frommen Kinder. Die Mannschaft hat zahlreiche profilierte Persönlichkeiten, darunter besonders die vier Brüder Bäckström, aber auch der Mittelläufer Sven Erik Fahlman, der über einen befreienden Schlag verfügt und dessen charakterliche Eigenschaften ihn zu einem Vorbild für die Jugend machen. Letzteres sagen fast alle, auch die Mutter.
Fahlman wird mit der Zeit einbeinig. Vielleicht Diabetes. Der Platz ist
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