Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein Cowboy aus Manhattan

Ein Cowboy aus Manhattan

Titel: Ein Cowboy aus Manhattan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carter Brown
Vom Netzwerk:
daß wir einige Meter breitseits fuhren, kam dann gerade noch rechtzeitig in die richtige Spur zurück, um einen
Frontalzusammenstoß mit einem Ausflugsbus zu vermeiden, der so dumm war, uns
entgegenzukommen.
    »Wie
haben Sie es fertiggebracht, so lange am Leben zu bleiben?« fragte ich
zitternd. »Wahrscheinlich nur mit Glück, was?«
    Sie
würdigte mich keiner Antwort, sondern drückte erneut aufs Gaspedal, und ich
kniff die Augen zu, während ich versuchte, das Wimmern in meiner Kehle zu
ersticken. Ein paar Ewigkeiten später merkte ich, daß der Wagen langsamer fuhr,
und das war zu schön, um wahr zu sein. Zögernd öffnete ich die Augen und
stellte fest, daß wir die Straße verlassen hatten und nun auf einem gewundenen
Sandweg fuhren.
    »Ist
es noch weit?« fragte ich.
    »Ein
paar hundert Meter«, sagte sie. »Haben Sie schwache Nerven oder so, Mr. Boyd?
Vorhin haben Sie ausgesehen, als wollten Sie gleich sterben.«
    »So
habe ich mich auch gefühlt«, antwortete ich wahrheitsgemäß.
    Der
Weg führte weiter bergauf, dann wichen die Kiefern, die ihn beiderseits gesäumt
hatten, zurück. Die Blondine fuhr durch ein Gatter, das zu einer Ranch zu
gehören schien, und parkte auf einem gekiesten Platz. Das Farmhaus thronte auf
der äußersten Kante eines natürlichen Felsvorsprungs, hundert Meter hoch über
dem Pazifik. Ich dachte mir, daß man vom Wohnraum aus einen atemberaubenden
Blick haben mußte, wenn man absolut schwindelfrei war.
    Wir
stiegen aus, und das lachende Mädchen stand einen Augenblick da und strahlte
mich voller Sex und Vitalität an.
    »Entschuldigen
Sie«, sagte sie dann, »das hätte ich beinahe vergessen.«
    Sie
bückte sich, holte ihre Handtasche vom Rücksitz des Cabrios, öffnete sie, zog
einen stumpfnasigen .32er heraus und richtete ihn auf mich.
    »Ich
heiße Virginia«, sagte sie, »und bin Edwin Baileys Tochter.«
    »Und
ich bin immer noch Danny Boyd«, sagte ich. »Hätte ich gewußt, daß Revolver zur
Gastfreundschaft der Westküste gehören, hätte ich selbst einen mitgebracht.«
    »Mein
Vater wartet im Haus auf uns«, sagte sie kalt. »Gehen Sie vor mir her, Mr.
Boyd, und begehen Sie nicht den Fehler, zu glauben, ich würde dieses Ding hier
nicht benutzen, wenn Sie mich dazu zwingen.«
    Wir
gingen ins Haus, und uns umgab jene eisige Kühle der Klimaanlage, die
augenblickliche Lungenentzündung verheißt. Das Wohnzimmer hatte eine Bar, und
die Wand zum Meer hin war ein einziges riesiges Fenster, das einen
erschreckenden Blick auf blauen Himmel und Ozean bot. Schwindel wallte in mir
hoch und krallte sich in meine Vernunft.
    Der
Mann, der sich mit einem Highball-Glas in der Hand an die Bar lehnte, war in
den Fünfzigern, groß, schlank und schlaksig; sein Schädel war kahlrasiert und
mahagonifarben, passend zum Farbton seines Gesichts. Dicht beieinanderstehende,
trübe Augen und dicke, abstoßende Lippen machten ihn vollends zum Bösewicht aus
einem Science-Fiction-Film. Einem solchen Typ hätte ich noch nicht einmal
meinen Wagen zum Waschen anvertraut, weil ich befürchten mußte, er fräße ihn
auf, sobald ich ihm den Rücken gekehrt hatte.
    »Da
bringe ich dir einen gewissen Danny Boyd«, sagte die Blondine hinter mir. »Er
sucht nach Freunden von Joe Hill.«
    »Ich
habe am Telefon ein bißchen gelogen, Mr. Boyd«, sagte Bailey. »Ich gebe keine
Informationen, ich will welche haben. Ich will wissen, was mit meiner Frau
ist.«
    »Klingt
ganz plausibel«, sagte ich. »Wo Sie doch mit ihr verheiratet sind und so.«
    Der
Griff des Revolvers knallte auf meinen Hinterkopf, und vor den Augen zuckten
mir grelle Blitze. Dann lag ich auf Händen und Knien am Fußboden, der wie wild
schwankte.
    »Was
mein Vater auf den Tod nicht ausstehen kann«, sagte eine entfernte Stimme,
»sind penetrante Schlaumeier wie Sie.«
    Die
beiden waren wirklich hilfsbereit. Töchterchen besorgte mir von irgendwoher
einen Stuhl, auf den Väterchen mich hob und geduldig festhielt, bis Töchterchen
meine Hände hinter der Lehne zusammengebunden hatte. Als sie fertig waren,
hatte der Boden sich wieder beruhigt, so daß ich mich auf den dumpfen Schmerz
im Hinterkopf konzentrieren konnte.
    »Ich
will alles wissen, was Sie über Joe Hill wissen, Boyd«, sagte Bailey. »So, und
jetzt können Sie zu reden anfangen.«
    Das
Mädchen stellte sich neben ihn und musterte mich aus tiefblauen, lieben, schimmernden
Augen. »Wenn Sie allerdings keine Lust zu reden haben, Mr. Boyd«, schnurrte
sie, »will ich Ihnen gerne helfen,

Weitere Kostenlose Bücher