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Schwarz. Weiß. Tot.: Storys

Titel: Schwarz. Weiß. Tot.: Storys Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deon Meyer
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    |7| Karoonacht
(Karoonag)
    |9| 1.
    Sonntagmorgen, zwei Uhr. Das Jaulen eines Motors riss mich aus dem Schlaf, zu hochtourig, zu nahe, zu verzweifelt für dieses
     Dorf, diese Uhrzeit.
    Das Knirschen der Räder auf dem frühmorgendlichen Reif, das hohe, dünne Quietschen verdreckter Bremsen auf der unbefestigten
     Straße vor dem Haus – schon sprang ich auf und griff unters Bett nach der Glock 37. In einem ersten Impuls wollte ich zur
     Hintertür hinausschlüpfen, um sie von hinten zu überraschen. Doch neben mir lag Emma in tiefem Schlaf, und sie zu schützen
     war jetzt das Allerwichtigste.
    Hastige Schritte auf der vorderen Veranda. Ich rannte los, in den Flur, zur Haustür, wartete an die Wand gepresst.
    »Lemmer!«, rief jemand von draußen und hämmerte gegen die Tür. »Ich bin’s, Willie!«
    Willie Bruwer, Berufsjäger, Loxtons höflicher Schlachter. Klang ganz nach einem Notfall. Ich schloss die Tür auf, verbarg
     die Pistole hinter meinem Rücken und öffnete. Die Kälte schlüpfte herein wie ein ungebetener Gast.
    »Farmüberfall!«, sagte Willie. »Wir brauchen dich!« Seine Haare waren zerzaust, er schien auch gerade aus dem Bett zu kommen.
     Vorne hielt er seine dicke Jacke mit beiden Händen fest zusammen.
    |10| »Wo?« Ich versuchte, mir die Erleichterung nicht anmerken zu lassen.
    »Bontfontein. Die Familie von Lucien.«
    Meine Erleichterung schlug in Empörung um, dann in Wut.
    »Fahr schon mal los! Ich trommle noch mehr Leute zusammen.«
    Ich wollte fragen, ob es Tote gegeben hatte, aber er rannte zu seinem Pick-up.
    »Bin unterwegs!«, rief ich ihm nach, aber er hob nur die Hand, riss die Autotür auf. Als die Innenbeleuchtung ansprang, sah
     ich die Gewehre in der Fahrerkabine. Dann setzte auch ich mich in Bewegung.
     
    Ich holte meine Kopflampe aus der Küche, nahm – ohne Emma zu wecken – ein paar Kleidungsstücke aus dem Schlafzimmerschrank
     und zog mich vor dem bullernden Aga-Kohleofen an. Hastig hinterließ ich Emma eine gekritzelte Nachricht, steckte die Glock
     in die Tasche meiner Cape-Storm-Jacke, griff nach dem Schlüssel, ging zur Vordertür raus und schloss hinter mir ab. Die schief
     hängenden Wellblechtüren quietschten in den uralten Angeln, als ich die Garage öffnete. All das hätte schon längst ersetzt
     werden müssen. Aber zuerst musste ich jetzt meinen neuen Ford-Pick-up abzahlen, denn die zarte, so unschuldig aussehende junge
     Frau in meinem Bett hatte den alten Isuzu zerlegt, in der Kurve vor Jakhalsdans. Emma le Roux, ehemals meine Klientin, jetzt
     meine Geliebte, war gottlob ohne eine Schramme aus dem Wrack geklettert.
    Ich ließ den Ranger an, und der V6 erwachte bereitwillig |11| zum Leben. Dann drehte ich die Heizung auf und fuhr los.
     
    Nachdem ich das Dorf verlassen hatte, wölbte sich ein grandioser Sternenhimmel über mir. Doch ich gönnte dem Schauspiel nur
     einen kurzen Blick und bog dann in Richtung Fraserburg ab. Am Modderrivier war die Eisdecke über der Furt bereits gebrochen.
     Ich war nicht der Erste, der hier an jenem Morgen den Fluss durchquerte. Am anderen Ufer gab ich Gas. Ich befürchtete das
     Schlimmste, und ich war wütend. Ausgerechnet Lucien und Grethe!
    Auch wenn ich mit den beiden nicht befreundet war, kannte ich ihre Geschichte, die man sich überall in der Bo-Karoo mit einer
     gewissen Selbstzufriedenheit erzählte. Der Zufall hatte die beiden vor zehn Jahren zusammengeführt. Grethe, eine Großstädterin
     aus Europa mit einem Magister in Literaturwissenschaft, war aus Berlin angereist, um ihre Freundin zu besuchen, die hier als
     Biologin Uferkaninchen erforschte. Lucien war auch gerade am Kap, und es ergab sich eine Mitfahrgelegenheit, in letzter Minute
     geregelt. Und so waren er und Grethe sich in einem klapprigen Land Cruiser zwischen Hexriviertal und Nuweveldbergen in gebrochenem
     Englisch nähergekommen. Während ihres zweiwöchigen Aufenthalts ließ sich Grethe von der herrlichen Landschaft, den Menschen
     und ihrem naturverbundenen Leben bezaubern – und von der erwachenden Liebe eines aufrichtigen Mannes.
    Sie waren im Distrikt nicht das einzige schöne Paar um die dreißig mit zwei süßen Kindern. Aber man betrachtete |12| sie als Symbol, als Aushängeschild für die Vorzüge Loxtons und seiner Bewohner. Vor allem Grethe galt als der lebende Beweis
     dafür, dass diese trockene, gottverlassene Gegend gut genug war, um eine gebildete, weitgereiste Weltbürgerin wie sie anzulocken.
     Inzwischen sprach

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