Ein delikater Liebesbrief
Vorgang überhaupt erdulden. Ich hätte dir das schon vor langer Zeit erklären sollen.«
Henrietta blinzelte verwirrt. Dann sagte sie langsam: »Natürlich, was du da sagst, ergibt absolut Sinn. Ich habe es ja schon oft genug in den Ställen gesehen.«
Millicent lief rot an und betrachtete eingehend ihre Hände. Das Thema war ihr so peinlich, dass sie sich fühlte, als hätte man ihr kochendes Wasser in den Halsausschnitt geschüttet.
»Ich hätte es dir kurz vor deiner Hochzeit erklärt. Das heißt, ich werde es Imogen am Vorabend ihrer Hochzeit sagen und …«
»Dann … dann … das heißt also, Darby heiratet mich nicht, weil er diese besondere Intimität nicht haben kann?« In ihrer Stimme schwang ein trostloser Ton mit, der die Stiefmutter tief schmerzte. »Obwohl er doch gar keine Kinder will?«
Millicent nickte nur, sie konnte nichts erwidern. Die Tränen schnürten ihr die Kehle zu. Warum musste ihre schöne gutherzige Stieftochter mit einer so furchtbaren Wahrheit konfrontiert werden?
»Männer sind Schweine. Schweine! «, rief Henrietta empört. »Molly – Molly Maplethorpe – hat den Vorgang als sehr unangenehm, ja sogar schmerzhaft beschrieben.«
»Aber er ist notwendig, wenn man Kinder bekommen will.«
»Darby hat seinen Antrag zurückgezogen, weil ich nicht mit ihm intim sein kann, obwohl ich es selbst unter den günstigsten Umständen als schmerzhaft empfinden würde?«
»Männer empfinden es anders als Frauen«, sagte Millicent. »Sie finden tatsächlich Vergnügen daran.«
»Schweine«, wiederholte Henrietta mit tonloser Stimme.
Millicent rang wieder die Hände im Schoß. »Ich habe es dir, fürchte ich, nicht sehr gut erklärt. Die meisten Frauen sehen es als das an, was es ist: ein abstoßender Vorgang, der jedoch notwendig ist, um Kinder zu zeugen. Nur beim ersten oder zweiten Mal ist es schmerzhaft, danach nur noch lästig. Aber ein Kind zu bekommen ist jede Mühe wert, Henrietta! Nachdem ich Imogen bekommen hatte, wurde mir erst bewusst, wie sehr …« Sie verstummte abrupt, als ihr aufging, wie unpassend es war, zum jetzigen Zeitpunkt davon zu schwärmen.
Henrietta zuckte die Achseln. »Natürlich weiß ich, dass Männer diese Seite des Lebens genießen. Aber gibt es dafür nicht Mätressen?«
»Henrietta!«
Sie zeigte sich vollkommen unbeeindruckt. »Männer halten sich Mätressen , Millicent. Das weißt du so gut wie ich.«
»Wir sprechen aber nicht darüber.«
Ihre Gedanken nicht frei auszusprechen hatte noch nie zu Henriettas Stärken gehört. »Wenn andere Männer es tun, warum dann nicht auch Darby?« Sie schaute Millicent fragend an. »Warum kann sich Darby nicht für solche Zwecke eine Geliebte halten?«
»Männer wollen diese Art Intimität eben mit ihren Frauen erleben«, erwiderte Millicent traurig. »Dein Vater …« Sie brach ab. »Das ist alles sehr schwierig.«
Doch Henriettas Blick war grimmig genug, um einem Spion ein Geständnis zu entlocken.
»Dein Vater hielt sich eine Geliebte. Falls du dich erinnerst, war er an Dienstagabenden selten zu Hause. Manchmal auch in anderen Nächten nicht. Doch dieser Umstand hatte keinerlei Einfluss auf unsere Ehe. Denn er hat mich geheiratet, weil ihm mein … mein Aussehen gefiel.«
»Ich erinnere mich gut. Er kam in die Kinderstube und sagte, er habe das schönste Mädchen in fünf Landkreisen gefunden, und er wolle sie zu uns bringen und sie zu meiner Mama machen. Und ich fand, du sahst aus wie eine Märchenprinzessin, wirklich.«
»Danke schön, Liebes«, erwiderte Millicent ein wenig zerstreut. »Jedenfalls will ein Mann, wenn er heiratet … dann möchte er … es gehört einfach zu der Vereinbarung, Henrietta. Deutlicher kann ich nicht werden, wirklich nicht!«
Einen Moment lang herrschte Schweigen im Zimmer nur der Wind draußen war zu hören, der den Schnee um die Hausecken trieb.
»Ich glaube, ich verstehe, was du sagen willst. Ein Mann heiratet, weil er eine Frau anziehend findet.« Im Geiste hörte sie Darbys tiefe heisere Stimme, die ihr sagte, wie schön ihr Haar sei. »Und deshalb erwartet er diese eheliche Intimität, ob die Frau es wünscht oder nicht. Also, das finde ich dumm!«
»Was ist dumm?«
»Warum kann ein Ehepaar sich nicht schlicht lieben und sich der Intimität enthalten?«
»Männer sind nun mal … getrieben. Besser kann ich es nicht erklären.«
Henriettas Augen waren zu schmalen Schlitzen geworden. »Was genau hat Darby gesagt, nachdem du ihm mitgeteilt hast, dass ich nicht in der
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