Ein delikater Liebesbrief
vorstellen, dass sie sich allzu weit von Gunther’s entfernt, von ihrer Schneiderin ganz zu schweigen. Warum sollte sie sich selber aufs Land verbannen, wenn sie nicht irgendeine Gaunerei im Schilde führt?« Ohne auf Rees’ Antwort zu warten, schlenderte er zur anderen Seite des Zimmers. »Ich habe die Geschichte, dass Miles sich in ihrem Schlafzimmer aufhielt, nie geglaubt, nie.«
»Du hast aber gesagt, dass dein Onkel einen Erben wollte«, gab Rees zu bedenken. »Warum hätte er nicht versuchen sollen, mit seiner Frau einen zu bekommen, wenn sie dazu geneigt schien? Man muss doch nicht mit seiner Ehegattin zusammenleben, um einen Erben zu zeugen.«
»Dieses Risiko wäre Miles niemals eingegangen. Dr. Rathbone hatte ihn ja gewarnt, dass er einen Herzanfall erleiden könnte, wenn er sich in dieser Hinsicht betätigen würde.«
»Also …«
»Nein«, unterbrach Darby seinen Freund, während er sich zu ihm umdrehte. »Esme Rawlings hat es auf den Besitz meines Onkels abgesehen. Ich wette mit dir um zweihundert Pfund, dass sie nichts weiter vor dem Bauch trägt als einen Haufen Federn.«
Rees musterte ihn kritisch. »Engagiere einen Bow-Street-Detektiv«, schlug er vor. »Der wird es schnell genug herausfinden.«
»Ich werde selbst nach Wiltshire reisen.« Darbys Augen funkelten vor Wut, die sich seit dem Moment in ihm aufgestaut hatte, als Gerard Bunge mit seinen roten Absätzen und diesen unangenehmen Neuigkeiten in sein Arbeitszimmer geplatzt war. »Ich werde die Wahrheit aus ihr herausquetschen. Verdammt, wenn die Frau wirklich schwanger ist, dann will ich wissen, wer der Vater des Kindes ist. Selbst wenn ich es nicht beweisen kann, will ich die Wahrheit wissen.«
»Wie willst du ihr den überraschenden Besuch denn erklären?«, fragte Rees.
»Vor einigen Wochen hat sie mir über die Londoner Luft und deren verheerende Wirkung auf Kinder geschrieben. Josie und Anabel schienen mir zu dem Zeitpunkt gesund zu sein, deshalb habe ich nicht darauf reagiert. Jetzt aber werden wir ihr in der gesunden Landluft Gesellschaft leisten.«
»Es ist aber gar nicht so einfach, mit Kindern zu verreisen«, gab Rees zu bedenken. »Zunächst einmal muss man für sie elend viele Diener mitnehmen, von den unzähligen Kleidern und Spielsachen einmal ganz abgesehen.«
Darby zuckte die Achseln. »Ich kaufe eben eine zweite Kutsche und stecke die Mädchen samt Kindermädchen dort hinein. Was soll denn daran schwierig sein?«
Rees erhob sich und stopfte das mittlerweile trockene Blatt in seine Brusttasche.
»Vielleicht kann ich sogar in der Wildnis von Wiltshire eine Braut auftun«, sagte Darby übellaunig. »Ich sehe mich nämlich außerstande, meine Schwestern allein aufzuziehen.«
»Ich wüsste nicht, was an der Erziehung von Kindern so schwer sein sollte. Stell doch für beide je ein Kindermädchen ein. Deswegen brauchst du dich nicht gleich mit einer Ehefrau zu belasten!«
»Die Mädchen brauchen eine Mutter. Die Diener finden, dass besonders Josie sehr schwierig ist.«
Rees zog eine Augenbraue hoch. »Ich kann nicht behaupten, dass meine Mutter sonderlich viel für mich getan hat. Und ich bezweifle ebenfalls, dass deine Mutter viel mit deiner Erziehung am Hut hatte.«
»Na schön. Sie brauchen eine gute Mutter«, gab Darby ungeduldig zurück.
»Trotzdem kein Grund, sich gleich eine Frau anzuschaffen«, wiederholte Rees, der schon im Gehen begriffen war. »Nun, wie dem auch sei, ich wünsche deiner Tante alles Gute. Wie hieß sie noch gleich in London? Die berüchtigte Esme , nicht wahr?«
»Berüchtigt wird sie sein, wenn ich mit ihr fertig bin«, versprach Darby grimmig.
2
Aus Zucker und Zimt ist das süße Kind
High Street
Limpley Stoke, Wiltshire
Er war das wunderbarste Geschöpf, das sie zu Gesicht bekommen hatte. Vor lauter Freude kniff er die Augen zusammen und strahlte sie an wie ein Sonnenschein. Ihr Herz flatterte in der Brust und sie wurde von einer so großen überwältigenden Sehnsucht erfasst, dass ihr die Knie zitterten.
»Lo!«, sagte er. »Lo!« Und wieder: »Lo!«
»Du bist ja so ein hübscher Junge«, gurrte Henrietta. Sie beugte sich zu dem Kleinen herab. »Hast du schon ein Zähnchen, mein Schatz? Genau da ?« Sie berührte sein Kinn mit einem Finger.
Er brach in prustendes Kichern aus und wackelte einen Schritt auf sie zu, wobei er wieder ein »Lo!« hervorstieß.
»Lo?«, erkundigte sich Henrietta in fragendem Ton und lachte mit ihm.
»Lo-lo!«, schrie der Kleine fröhlich.
Ein
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