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Ein dunkler Gesang

Ein dunkler Gesang

Titel: Ein dunkler Gesang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phil Rickman
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hochsymbolischen Zimmerwände sahen komplett bescheuert aus. Und nicht mal besonders nach Mondrian – das konnte sie, nachdem sie ihren Kunst-Leistungskurs zur Hälfte hinter sich hatte, einigermaßen beurteilen.
    Eher wie ein beschissener Kindergarten.
    Entscheidung: Die Mondrian-Wände mussten verschwinden. Schließlich konnte man schlecht sinnlosen Vandalismus bekämpfen, wenn man seine eigenen kleinen Verbrechen nicht erkannte.
    Nachdem sie zu diesem Schluss gekommen war, setzte sich Jane im Bett auf und sah aus dem Fenster auf das
eigentliche
Thema. Voller Begeisterung über die neue Entdeckung, während zugleich die Wut in ihr brodelte; eine Mischung, die einen, das musste sie zugeben, ziemlich anmachen konnte.
    Unterhalb von Jane, jenseits der Gartenhecke, lag Ledwardine, dieses Fachwerkdorf inmitten von Eichenwäldern, das von der Vormittagssonne in Altgold getaucht wurde. Gegen Neonreklamen und Plakatwände wurde es von denselben Typen verteidigt, die ausgeflippt wären, wenn sie Janes Mondrian-Wände gesehen hätten … wobei sie das große Ganze allerdings nicht kapierten.
    Und dessen Mittelpunkt lag direkt hinter dem Dorf: Eine grüne, bewaldete Pyramide ragte aus einem zarten Lendenschurz aus Nebel empor.
    Cole Hill. Jane hatte immer angenommen, dass dieser Hügel einfach nach jemandem namens Cole benannt worden war, der dort vor Jahrhunderten Landwirtschaft betrieben hatte. Aber jetzt …
Cole Hill
… was für ein großartiger Klang lag in diesen Worten.
    Jane ließ sich in die Kissen zurücksinken. Langsam fügten sich die Bilder des Vorabends wieder zusammen: die sinkende Sonne und die Linie quer über der Wiese. Sie führte den Hügel hinab, mit dem Kirchturm von Ledwardine, der ihr die Richtung wies, wie der Schattenzeiger der Sonnenuhr im Dorf. Es war einfach verblüffend, inspirierend.
    Aber wie lange noch?
    Jane stand taumelnd auf und warf dabei das Taschenbuch vom Nachttisch, in dem sie bis zwei Uhr nachts gelesen hatte.
Die geraden Wege der alten Zeit.
Das Foto auf der Rückseite zeigte einen gütig wirkenden, bärtigen alten Mann mit Brille. Alfred Watkins aus Hereford. Mitglied des Bezirksrats, Friedensrichter, Geschäftsmann, Antiquar, Fotograf, Erfinder, ein rundum solider Bürger. Und ein Visionär.
    Jane Watkins hob das Buch auf.
    Du und ich, Onkel.
    Dieses Buch … na ja, es war schon genauso lange im Pfarrhaus wie Jane, und sie glaubte, es vor Ewigkeiten schon einmal gelesen zu haben. Aber erst etwa eine Woche zuvor war ihr aufgefallen, dass sie es damals nur durchgeblättert hatte, um sich Watkins’ bahnbrechende Fotos anzuschauen. Sie hatte angenommen, seine Ideen wären längst überholt und seine Erkenntnisse durch aufgeklärtere Gedanken widerlegt. Nun hatte sie wegen ihres Projektes für den Kunstunterricht das Buch endlich von vorne bis hinten durchgelesen. Zwei Mal. Sie hatte die fiebrige Hitze einer aufsteigenden Erkenntnis gespürt. Und es lag alles
so nahe
. Mom hatte vermutlich recht, wenn sie sagte, dass keine verwandtschaftliche Beziehung bestand, und doch nahm dieser längst verstorbene Typ mit demselben Familiennamen über eine seiner mysteriösen geraden Linien mit Jane Kontakt auf.
    Er sagte:
Hilf mir.
    Jane wandte den schreienden Farben der Mondrian-Wände den Rücken zu, ging ins Badezimmer und stellte sich unter die Dusche.
    Bei dieser Sache würde sie Unterstützung brauchen.
    Zwei Jahre zuvor wäre es absolut tabu gewesen, mit Mom darüber zu reden. Die Sache war zu unkonventionell und der Graben zwischen ihnen zu tief. Zwei Jahre zuvor hatte der Anblick ihrer kniend ins Gebet versunkenen Mutter in Jane Peinlichkeitsgefühle und Ablehnung hervorgerufen. Aber jetzt war sie älter, und Mom war ausgeglichener und viel liberaler.
     
    Bis auf das Rumoren des alten Aga-Herdes und das rhythmische Schmirgelpapier-Geräusch, mit dem Ethel, die Katze, vor dem Ofen ihre Pfoten leckte, war es still in der Küche.
    Auf dem Tisch, den sie spaßeshalber den Refektoriumstisch nannten, fand Jane einen Zettel.
    J. DU HAST ES VIELLEICHT VERGESSEN … MUSSTE HEUTE MORGEN FRÜH LOS, UM PARANOIDEN PFARRER IN DEN MALVERNS ZU TREFFEN. BROT IM KASTEN, EIER IM KORB. VERGISS NICHT, ETHEL DAS TROCKENFUTTER HINZUSTELLEN. TUT MIR LEID, SPATZ. SEHEN UNS NACH DER SCHULE. KUSS M.
    Spatz.
Als wäre sie sieben.
    Aber, okay, sie hatte es wirklich vergessen. Eigentlich war ihr sogar so viel durch den Kopf gegangen, als sie am Vorabend vom Cole Hill gekommen war, dass sie kaum zugehört hatte, was

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