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Ein dunkles Grab: Die Kurzgeschichte zum Roman "Renegade. Tiefenrausch"

Ein dunkles Grab: Die Kurzgeschichte zum Roman "Renegade. Tiefenrausch"

Titel: Ein dunkles Grab: Die Kurzgeschichte zum Roman "Renegade. Tiefenrausch" Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J. A. Souders
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könnte, brauchte ich jemanden, der einerseits auf sich selbst aufpassen und andererseits dafür sorgen kann, dass es mir nicht so ergeht wie meinem Dad. Wenn ich ebenfalls verschwände, würde meine Familie verhungern.
    Conn und ich sind im gleichen Alter; er geht schon ebenso lange auf die Jagd wie ich. Unsere Väter haben uns schon als Kinder mitgenommen. Abgesehen von mir ist er wohl der beste Jäger in unserem Dorf. Und der einzige Mensch außerhalb meiner Familie, dem ich vertraue.
    Er stellt sich neben mich, zieht sich seine Kappe tief in die Stirn und blickt über das Wasser zur Insel hinüber. »Bist du dir sicher?«
    »Was denn?«, frage ich grinsend. »Erzähl mir nicht, du hättest Angst vor diesem winzigen Inselchen.«
    Mit einem abfälligen Schnauben greift er nach den Riemen seines Rucksacks. »Wie sollen wir rüberkommen?«
    Wortlos führe ich ihn zu der Stelle, an der das Floß versteckt ist, das ich während der letzten sechs Monate aus Treibholz zusammengezimmert habe. Hübsch ist es nicht, aber es schwimmt. Ich werfe meinen Rucksack auf das Floß und bücke mich, um es in die sanften Wellen zu schieben. Wenigstens ist das Wasser ruhig. Dann schaue ich fragend zu Conn. Der spielt an seinem silbernen Ohrring herum und mustert zweifelnd das Gefährt, dann seufzt er und lässt seine Sachen neben meine fallen. Er weiß ebenso gut wie ich, dass die Beute auf der Insel das Risiko rechtfertigt. Gemeinsam schieben wir das Floß vom Ufer fort und waten in das hüfthohe Wasser hinaus, bevor wir uns auf unsere wackelige Unterlage hieven. Wieder sieht Conn mich zweifelnd an, aber ich grinse nur. Dann schnappt sich jeder von uns eine der langen Stangen, die uns als Ruder dienen, und wir arbeiten uns zur Insel vor.
    Es dauert länger als erwartet. An der Oberfläche ist das Wasser zwar ruhig, aber darunter herrscht eine starke Strömung, die uns immer wieder zur Bucht zurück- und somit von der Insel forttreibt.
    Als wir das Floß dann endlich ans Ufer ziehen, hat sich die Sonne bereits weit über den Horizont geschoben. Doch zwischen den Bäumen hängt seltsamer Nebel, der so undurchdringlich ist wie Rauch. Das überrascht mich nicht. Auch aus der Ferne scheint die ganze Insel auch sonst immer in Nebel gehüllt zu sein. Im rosafarbenen Licht des Morgens wirkt sie nun unwirklich und fast gruselig. Mir läuft ein Schauer über den Rücken, doch dann schüttele ich die Furcht ab, die sich wie Spinnweben über mich gelegt hat. Dieser Wald wird auch nicht anders sein als die Gehölze in der Nähe des Dorfes – mit dem einen Unterschied, dass er randvoll sein müsste mit Beute.
    Und trotzdem bin ich nervös: Die Vögel zwitschern, doch abgesehen davon herrscht am Strand absolute Stille. Warum hört man hier keine anderen Tiere? Rehe. Eichhörnchen. Meinetwegen sogar Insekten. Verschluckt der Nebel jeden Laut? Oder gibt es einfach kein Wild? Bei diesem Gedanken kriege ich Bauchschmerzen, deshalb verdränge ich ihn schnell. Es muss in diesem Wald einfach Tiere geben.
    Conn und ich tauschen einen schnellen Blick. Es gibt nur eine Möglichkeit, das herauszufinden.
    Wir ziehen das Floß noch ein Stück vom Ufer weg – schließlich darf es nicht von einer Welle fortgespült werden, bevor wir zurückkommen. Immerhin hoffe ich immer noch, damit eine Tonne Fleisch nach Hause zu schaffen. Anschließend suchen wir am Strand nach Treibgut, um damit das Floß zu tarnen. Sicher ist sicher.
    Gerade positioniere ich die letzten Äste auf unserem Gefährt, als Conn nach mir ruft. In seiner Stimme schwingt ein Unterton mit, der mich irgendwie nervös macht. Als ich mich umdrehe, sehe ich, dass er auf der Suche nach Treibgut ein ganzes Stück den Strand hinuntergegangen ist und nun hektisch winkt. Conn ist nicht so leicht aus der Ruhe zu bringen – da stimmt irgendetwas nicht. Hastig laufe ich zu ihm rüber. Sein Gesicht ist ganz bleich, und er sieht aus, als müsse er sich übergeben.
    Als ich ihn erreiche, sehe ich, dass vor ihm etwas auf dem Boden liegt. Das ungute Gefühl in meiner Magengrube sagt mir, dass ich eigentlich gar nicht wissen will, was es ist, doch ich habe es bereits erkannt.
    Vor Conns Füßen liegt eine Leiche.
    Verzweifelt klammere ich mich an die Hoffnung, dass es sich nicht um einen der Jäger handelt, die wir vor einigen Monaten verloren haben. Und obwohl sich alles in mir dagegen sträubt, beuge ich mich vor und versuche herauszufinden, ob ich den Toten kenne.
    Doch tatsächlich ist er mir unbekannt. Er ist

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