Ein Earl kommt selten allein
verlassen, hatte regelrecht Entsetzen in ihr ausgelöst …
Sie holte tief Luft und versuchte, klar zu denken. Die Leidenschaft, die sie und Richard verband, war natürlich unglaublich, aber Liebe war mehr als Leidenschaft, und sie kannte ihn noch gar nicht lange genug, um ihn zu – Christiana ließ den Gedanken in ihrem Kopf sterben, denn ein anderer Teil in ihr argumentierte, dass sie ihn sehr wohl kannte. Bei Dicky-George war Christiana ständig nervös gewesen, hatte sich Sorgen darüber gemacht, was er sagen oder tun könnte, und sie war argwöhnisch gewesen, dass sich seine Launen wieder zeigen könnten oder er mit den Menschen in seiner Umgebung übel umspringen könnte. Aber Richard schien nicht so unvorhersehbar zu sein: Er war höflich und respektvoll gegenüber denjenigen, denen er begegnete, und das galt selbst für die niedersten Dienstboten. Richard war auch ehrenhaft, während George das Wort wahrscheinlich nicht einmal hätte buchstabieren können. Und er hatte sie geheiratet, um sie und ihre Schwestern vor einem Skandal zu bewahren, was an Ritterlichkeit tatsächlich kaum zu übertreffen war, wie sie sich eingestand. Sie begriff, dass Lisa recht gehabt hatte: Richard war ihr Held, und sie
hatte
angefangen, ihn dafür zu lieben. Dafür und für so vieles andere.
Sie straffte die Schultern und nickte ernst. »Ich liebe Richard. Ich will ihn nicht verlassen.«
Lord Madison nickte ebenfalls ernst. »Also schön.«
»Aber trotzdem danke, Vater«, fügte sie hinzu und umarmte ihn.
Lord Madison tätschelte ihr den Rücken, dann nahm er ihren Arm, als sie sich von ihm löste. »Gehen wir wieder zu den anderen zurück.«
Christiana nickte und drehte sich um, um zum Haus zurückzukehren, aber sie und ihr Vater blieben beide abrupt stehen, als sie Richard in der offenen Tür sahen. Christiana biss sich auf die Lippe; besorgt fragte sie sich, wie lange er wohl schon dagestanden und ob er ihre Worte gehört hatte, aber ihr Gemahl sagte lediglich: »Die Obrigkeit war hier. Sie ist auch schon wieder weg. Wir haben den Männern erklärt, dass Freddy versucht hat, dich zu entführen, und dass wir alle ihn aufgehalten haben. Sie haben unsere Erklärungen akzeptiert und die Leiche mitgenommen.«
»Oh«, murmelte Christiana. »Und mit mir wollten sie gar nicht sprechen?«
»Ich habe ihnen erklärt, dass du durcheinander bist. Sie haben es verstanden und gesagt, dass es bei so vielen Zeugen keinen Grund gibt, mit dir zu sprechen.«
»Oh, gut«, lächelte sie schief, froh darüber, dass sie nichts erklären musste. Sie war wirklich eine schlechte Lügnerin, selbst wenn es nur darum ging, einen Teil der Wahrheit zurückzuhalten, und wahrscheinlich hätte sie alles herausposaunt.
Ihr Vater drängte sie weiter, und Christiana setzte sich wieder in Bewegung. Als sie Richard erreicht hatte, legte er ihr einen Arm um die Taille, und sie blieb stehen. Ihr Vater ließ sie sofort los und ging weiter ins Arbeitszimmer. Christiana lächelte ihren Gemahl nervös an.
»Alles in Ordnung?«, fragte er ernst. »Freddy hat dir nichts getan?«
»Ich habe leichte Kopfschmerzen und eine hübsche Beule von dem Schlag, den er mir versetzt hat, aber ansonsten geht es mir gut«, versicherte sie ihm und sah sich im Arbeitszimmer um, als er sie nach drinnen führte. Ihr Vater und Daniel und Robert waren da, aber Suzette und Lisa fehlten ebenso wie Haversham. »Wo?«
»Suzette hat Lisa in den Salon gebracht, während die Runners ihre Fragen gestellt haben«, beantwortete Richard ihre Frage, bevor sie sie beenden konnte. »Sieht so aus, als wäre der Anblick von Freddys Leiche zu viel für sie gewesen.«
»Das glaube ich. Lisa kann kein Blut sehen. Sie kann davon sogar ohnmächtig werden, wenn es zu viel ist«, murmelte Christiana, dann runzelte sie die Stirn, als sie die Schramme an seiner Stirn bemerkte. »Was ist passiert?«
»Nichts«, versicherte Richard ihr. »Daniel und ich sind heute beim Schneider vorbeigefahren, nachdem wir das Geld für den Erpresser organisiert hatten, und eine Kutsche ist auf uns zugekommen. Ich habe mir die Schramme geholt, als wir aus dem Weg gesprungen sind.«
»Als
er
aus dem Weg gesprungen ist und mich mitgerissen hat«, berichtigte Daniel ihn trocken. »Ich habe das Ding nicht einmal bemerkt, bevor es schon fast bei uns war.«
»Ich bezweifle, dass das Freddy war«, sagte Christiana mit einem Seufzer, als sie begriff, dass das Schlimmste noch nicht vorüber war. Sie hatten zwar den Erpresser
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