Ein Earl kommt selten allein
allmählich die Wahrheit sagen wollen. Dass Suzette den Brief las, war eine gute Möglichkeit, das Thema anzuschneiden.
»Ich wusste es!«, rief Suzette plötzlich.
»Was wusstest du?«, fragte Lisa neugierig.
»Ich wusste, dass da was vor sich ging«, erklärte Suzette, aber ihre Stimme klang abgelenkt, als sie weiterlas.
»Warum? Was geht da vor?«, fragte Lisa und sah Christiana mit zusammengekniffenen Augen an.
»Dicky ist tot«, verkündete Suzette. »Ich wusste, dass er es war. Der Mann war so kalt wie ein Stein, als wir zum Ball aufgebrochen sind.«
Lisa blinzelte bestürzt. »Wovon redet ihr da bloß? Dicky geht es gut. Er sitzt mit Daniel und Robert in der Kutsche hinter uns.«
»Das ist Richard«, murmelte Suzette und las weiter.
»Was? Das verstehe ich nicht.« Ihr Blick glitt zu Christiana. »Wovon redet sie, Chrissy?«
»Der Mann, den ich geheiratet habe …«
»Mord!«, kreischte Suzette plötzlich. »Dicky ist nicht ermordet worden.«
»Natürlich nicht«, sagte Lisa mit einiger Verzweiflung. »Er lebt und ist wohlauf.«
Suzette beachtete ihre jüngere Schwester nicht und wedelte empört mit dem Brief. »Ich würde mir noch nicht einmal die Mühe machen, das hier Richard überhaupt zu zeigen. Es ist alles nur dummes Geschwätz. Nichts als eine Drohung, allen zu sagen, dass Richard George getötet hat, um seinen Titel und Namen zurückzubekommen. Was für ein Unsinn.«
»Ja, ich weiß, aber die andere Sache ist allerdings wahr, und es würde schon einen Skandal geben, wenn rauskommt, was George getan hat«, sagte Christiana unglücklich, als Suzette weiterlas. »Ich muss Richard davon erzählen, und zwar je früher, desto besser. Suzie, klopf an die Wand und sag dem Kutscher, dass er anhalten soll.«
Suzette ließ den Brief sinken und zog eine Braue hoch. »Meinst du nicht, dass es besser wäre, wenn wir warten, bis wir Radnor erreicht haben? Wir müssen sowieso fast da sein, und wenn in der Kiste, die die Männer unbedingt mitnehmen mussten, das ist, was ich glaube, müssen wir es unbedingt in Radnor lassen und dürfen es nicht zur Stadt mit zurücknehmen.«
»Was ist in dieser Kiste?«, fragte Lisa sofort.
»George«, antwortete Christiana und bestätigte Suzettes Vermutung.
»Wer ist George?«, fragte Lisa mit einem Stirnrunzeln.
»Dicky«, antwortete Suzette.
»Was?«, kreischte Lisa und hüpfte ungeduldig auf ihrem Platz herum. »Was du sagst, ergibt überhaupt keinen Sinn! Ich verlange, dass mir sofort jemand erklärt, was hier los ist!«
Christiana und Suzette wechselten einen Blick, dann seufzte Christiana und lehnte sich zurück. Suzette hatte recht, sie waren wahrscheinlich ohnehin fast schon in Radnor. Richard hatte gesagt, dass sie vor Einbruch der Dunkelheit dort ankommen würden, und die stand kurz bevor. Und sie mussten George hinbringen und ihn dort lassen. Sie wollte ihn ganz sicher nicht mehr im Schlafzimmer des Hausherrn in der Stadt haben. Es war beunruhigend, im Zimmer gleich neben dem des eigenen toten, nicht ganz legal angetrauten Gemahls zu schlafen.
»Könnte sich jemand dazu herablassen, es mir zu erklären?«, fragte Lisa grimmig.
»Frag sie«, sagte Suzette trocken. »Ich habe eine grobe Ahnung von dem, was passiert ist, aber ich bin mir über die genauen Einzelheiten nicht ganz im Klaren.«
Als Lisa und Suzette sich umdrehten und sie ansahen, zog Christiana ein Gesicht und sagte: »Ich hatte es euch schon gestern sagen wollen, aber ich hielt es für besser, es euch gemeinsam zu erklären, und dann mussten wir für diese Reise packen und so … Es schien einfach nie eine gute Gelegenheit zu geben …«
»Ja, ja, du wolltest es uns sagen«, unterbrach Suzette sie ungeduldig. »Komm endlich zur Sache.«
Christiana holte tief Luft und sagte abrupt: »Der Mann, den ich geheiratet habe, war ein Schwindler. Er war Richards Zwillingsbruder George.«
»Aber er ist tot«, wandte Lisa ein.
»Das ist er jetzt«, sagte Christiana grimmig, und dann seufzte sie und sagte: »Hört einfach nur zu und lasst mich erklären.«
Als Lisa und Suzette nickten, erklärte Christiana alles so klar und präzise, wie sie es nur konnte. Dann lehnte sie sich zurück und sah ihre Schwestern erwartungsvoll an.
Lisa war die Erste, die etwas sagte, nachdem sie einen tiefen Seufzer von sich gegeben hatte. »Das ist ganz so wie in den Büchern, die ich lese.« Sie wandte sich an Suzette. »Und du hast gesagt, da steht nur Unsinn drin, und so etwas würde im richtigen Leben nicht
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