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Ein Earl mit Mut und Leidenschaft

Titel: Ein Earl mit Mut und Leidenschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Quinn
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einfach nicht dazu durchringen, sie ganz freizugeben.
    „Wer sind Sie?“, murmelte er an ihrem Ohr.
    „Wer sind Sie?“, erwiderte sie.
    Er lächelte. „Ich habe zuerst gefragt.“
    „Ich spreche nicht mit Fremden.“
    Darüber musste er wieder lachen. Er wusste, dass er sich einfach unmöglich benahm, er nötigte das arme Ding praktisch. Für Tändeleien hatte sie keinen Sinn. Liebe Güte, sie hatte im Quartett seiner Familie gespielt. Eigentlich sollte er ihr danken.
    Doch ihm war so leicht zumute, beinahe schwindelig. Etwas an dieser Frau beschwingte sein Blut, und er war schon ein wenig benommen gewesen, als er Winstead House nach der wochenlangen Reise endlich erreicht hatte.
    Er war zu Hause. Zu Hause. Und er hatte eine schöne Frau im Arm, von der er sich ganz sicher war, dass sie ihn nicht umbringen wollte.
    Es war eine ganze Weile her, seit er dieses Gefühl zum letzten Mal auskosten konnte.
    „Ich glaube ...“, sagte er staunend, „ich glaube, ich muss Sie jetzt vielleicht küssen.“
    Sie zuckte zurück, wirkte dabei aber nicht sonderlich verängstigt, sondern eher verwirrt. Oder auch besorgt.
    Kluge Frau. Er hörte sich wirklich an wie ein Verrückter.
    „Nur ein bisschen“, versicherte er ihr. „Ich muss mich nur erinnern an ... “
    Sie schwieg, und dann fragte sie, als könnte sie nicht anders: „Woran?“
    Er lächelte. Ihre Stimme gefiel ihm. Sie klang tröstlich und rund, wie guter Brandy. Oder ein Sommertag.
    „An die Tugend“, sagte er, umfasste mit einer Hand ihr Kinn. Er hielt den Atem an - er hörte, wie sie keuchte -, aber sie wehrte sich nicht. Er wartete kurz, nur einen Augenblick, denn wenn sie sich wehrte, würde er sie loslassen müssen, das war ihm klar. Doch sie tat nichts. Fest blickte sie ihn an, ebenso gebannt von diesem Augenblick wie er.
    Also küsste er sie. Zögernd zuerst, fast als befürchtete er, sie könnte sich in seinen Armen auflösen. Aber es reichte nicht. Leidenschaft durchflutete ihn, und er zog die Fremde enger an sich, genoss es, ihren weichen Körper zu spüren.
    Sie war zart, feingliedrig auf die Art, die in einem Mann den Wunsch weckte, Drachen zu töten. Doch sie fühlte sich wie eine Frau an, warm und üppig an genau den richtigen Stellen. Er sehnte sich danach, ihre Brüste zu berühren oder ihr perfekt gerundetes Hinterteil. Aber dazu war nicht einmal er wagemutig genug, nicht im Haus seiner Mutter.
    Dennoch war er noch nicht bereit, sie gehen zu lassen. Sie duftete nach England, nach sanftem Regen und sonnenüberfluteten Wiesen. Sie war so verführerisch wie das schönste Paradies. Er wollte sie umfangen, sich tief in ihr versenken und für alle Zeiten dort verharren. Er hatte seit drei Jahren nicht mehr getrunken, aber jetzt war er betrunken, sprudelte über vor einer Lebensfreude, von der er nicht mehr gedacht hatte, dass er sie noch einmal würde empfinden können.
    Es war Wahnsinn. Musste Wahnsinn sein.
    „Wie heißen Sie?“, fragte er eindringlich. Er wollte es wissen. Er wollte alles über sie wissen.
    Aber sie antwortete nicht. Wenn er mehr Zeit gehabt hätte, hätte er sie vielleicht überreden können, es ihm zu verraten, aber sie hörten beide, wie jemand die Hintertreppe herunterkam, die sich nicht weit von der Stelle befand, wo sie immer noch eng umschlungen standen.
    Sie schüttelte den Kopf, die Augen weit aufgerissen. „So darf man mich nicht sehen“, flüsterte sie drängend.
    Er ließ sie los, aber nicht, weil sie ihn darum gebeten hatte. Er hatte gesehen, wer da die Treppe herunterkam - und was sie taten -, und darüber vergaß er seine dunkelhaarige Schönheit.
    Seiner Kehle entrang sich ein wütender Schrei, und dann rannte er wie ein Berserker durch den Gang davon.

2. Kapitel
    Eine Viertelstunde später stand Anne immer noch dort, wo sie sich eine Viertelstunde zuvor wiedergefunden hatte, nachdem sie durch den Gang und durch die erstbeste unverschlossene Tür gestürzt war. Bei dem Glück, das sie in letzter Zeit gehabt hatte (nämlich keines), war sie in einem finsteren, fensterlosen Vorratsraum gelandet. Eine kurze Untersuchung - Anne tastete mit den Händen wie eine Blinde durch die Dunkelheit - offenbarte ein Cello, drei Klarinetten und möglicherweise eine Posaune.
    Das hatte etwas Passendes. Sie hatte den Raum gefunden, in den die Smythe-Smith’schen Musikinstrumente zum Sterben kamen. Und sie steckte hier fest, zumindest solange, bis der Wahnsinn draußen auf dem Flur vorüber war. Sie hatte keine Ahnung, was

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