Ein Ende des Wartens
würde, als es ihr lieb war.
Sie wandte den Blick vom Spiegel ab und wusch sich das Gesicht. Mit einem Kamm versuchte sie ihre Haare in eine erträgliche Ordnung zu bringen, doch das ging nur mit einigen Schmerzen. Am Ende gelang es ihr jedoch und sie konnte sich daran machen, die kleinen Flecken in ihrem Gesicht, die sie oft vom Weinen jeglicher Art bekam, abzudecken. Ein wenig Schminke hinterher, und sie konnte sich sehen lassen. Keine Schönheit für diesen Sonntag, aber nach der letzten Nacht war ihr Appetit auf männlichen Umgang für das Wochenende und die nächste Zeit ausreichend gestillt.
Annika atmete tief durch, ehe sie aus dem Bad trat und zurück zu Tammy ging. Ihre Freundin las weiterhin das Buch, und so konnte Annika ihren inzwischen kalten Kaffee langsam leer trinken.
Nach einer geraumen Weile legte dann Tammy das Buch zur Seite, stand auf und trat mit der Frage zu Annika, ob sie sich beide nach draußen setzen wollen.
Annika nickte und beide traten auf die Terrasse, nahmen die Bezüge der Stühle aus der Truhe und setzen sich so gegenüber, dass sie sich ansehen, aber auch aneinander vorbeischauen konnten. Annika hielt ihren Blick ins Unbestimmte, während Tammy sie aufmerksam beobachtete.
Tammy kannte ihre Freundin so gut, dass sie wusste, dass sie nur warten musste, ehe Annika zu reden begann. Dieses Mal dauerte es zwar länger als sonst üblich, aber nach einer Viertelstunde des stillen Nachdenkens öffnete Annika plötzlich den Mund, drehte sich zu Tammy und erzählte ihr von den Ereignissen der Nacht alle Einzelheiten, an die sie sich erinnern konnte. Insbesondere die Momente, in denen Sören ihr den Himmel gezeigt und sie miteinander über ihre Beziehungen geredet hatten, waren ihr sehr deutlich in Erinnerung geblieben.
Wahrscheinlich, weil Marco so nicht sei, versuchte Annika sich diesen Umstand zu erklären.
Oder weil sie so sehr von Marco enttäuscht sei, dass sie alles, was Aufmerksamkeit bedeute, als angenehm empfände, hielt Tammy dagegen. Denn noch nie hätte Annika davon gesprochen, dass ihr diese Aspekte in der Beziehung fehlten.
Vielleicht könne man erst verstehen, was einem fehlt, wenn man es einmal erlebt hat, konterte Annika, und auch Tammy musste zugeben, dass dieser Grund schlüssig war.
Vielleicht ist es so, sagte Tammy, aber die Männer seien alle unterschiedlich. Sie könne jetzt nicht von einem Abend und einer Nacht auf ihre Beziehung mit Marco schließen und den Gedanken fassen, dass alles daran schlecht sei.
Das mache sie auch gar nicht, widersprach Annika. Es sei nur so, dass es sich mit Sören so anders angefühlt habe. So vertraut. Und das, obwohl es doch mit Marco vertraut sein sollte, nach all den Jahren.
Sie meine also, dass Marco dann doch nicht ihr Traummann, der Verbündete im Geiste sei, wie sie immer behauptet hatte, hielt ihr Tammy die eigenen Worte vor.
Es scheine, als wäre er es nicht, kam es zurück.
Nun war es an Tammy, ihrer Freundin reinen Wein einzuschenken, den Annika ihr schon so oft mit eindringlichen Worten eingeschenkt hatte. Tammy verwies auf Annikas Erklärungen, wenn sie sich selbst in einer Phase der Schwärmerei oder Unsicherheit befand. Wie sie dann von Annika auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt wurde – was zuweilen auch nicht sehr sanft geschah.
Annika ließ die Standpauke ihrer Freundin über sich ergehen, weil sie ahnte, dass Tammy Recht damit hatte. Warum fragte sie sich überhaupt, ob Marco ihr Seelenverwandter war, wo sie doch selbst am besten wusste, dass Beziehungen mit Seelenverwandten eine kurze Zeit das schönste Erlebnis des gesamten Lebens waren, ehe die Beziehung daran krankte, dass beide immer genau wussten, was der andere dachte oder fühlte. Das Fehlen von Unterschieden, das An-Sich-Reiben war das grundsätzliche Problem jener Beziehungen, und je mehr sich Annika an Marcos Eigenschaften gerieben hatte, desto mehr hatte sie zu akzeptieren gelernt, dass sie ihn nur mit seinen Macken bekam. Dafür aber besaß Marco Stärken, die sich perfekt zu ihren Schwächen gesellten, wodurch ihre Beziehung an nur sehr wenigen Stellen Brüche oder Schwächen aufwies. Bis zu dem Zeitpunkt, als er sie vor vollendete Tatsachen stellte! Bis zu diesem Zeitpunkt hatte sie ihm blind vertraut. Blinder als blind, hatte sie einmal gegenüber Tammy behauptet. Derselben Freundin, der sie gerade versuchte, die Beziehung zwischen Marco und ihr schlecht zu reden.
Nach Tammys langer Erklärung herrschte erst einmal lange Zeit Stille,
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