Ein Ende des Wartens
Stühlen auf. Annika trat ins Haus und sah, wie Sören die beiden Auflieger in der Kiste verstaute, ehe auch er in das Haus zurücktrat.
Aus einem Impuls heraus, umarmte Annika Sören und drückte ihn fest an sich. Er hielt sie ebenfalls fest und so standen die beiden eine geraume Weile, ehe er sie auf ihre Haare küsste und sie sich voneinander trennten.
Er denke, dass es jetzt besser sei, wenn er nach Hause fahre, flüsterte er ihr entgegen und Annika nickte stumm. Sie sah ihm beim restlichen Anziehen und Zusammensuchen seiner Sachen zu, ehe sie sich ohne viele Worte voneinander verabschiedeten. An der Türe stehend sah sie ihm hinterher, wie er um die Ecke des Hauses verschwand. Sie hörte noch, wie er den Motor seines Wagens anließ und diesen aus der Einfahrt auf die Straße lenkte, bevor sie endgültig die Türe des Hauses schloss, den Schlüssel zweimal umdrehte und sich auf die Couch schlafenlegte, um Tammy nicht aufzuwecken.
Es brauchte nur wenige Minuten, ehe Annika über ihre gedankliche Leere und ihre Müdigkeit in einen festen, traumlosen Schlaf fiel.
19
Für Annika begann der Sonntag viel später als für Tammy. Als Annika auf der Couch liegend ihre Augen öffnete, saß Tammy im Sessel neben ihr und las ein Buch.
Woher sie das Buch habe, wollte Annika schlaftrunken wissen, und Tammy gab leise zurück, dass es oben ein Regal mit Büchern gäbe.
Ohne den Blick zu heben, las Tammy weiter, und Annika fragte sich, ob ihre Freundin sauer auf sie war. Daher beobachtete sie die Lesende eine Weile, doch die schien nur das Kapitel zu Ende gelesen zu wollen.
Ob sie das Buch mitnehmen könne, fragte Tammy und richtete ihren Blick auf den rückseitigen Einband.
Das wäre zwar Diebstahl, antwortete Annika, aber sie denke nicht, dass die Vermieterin das merken werde.
Dann entwende sie das Buch heimlich, weil es so spannend sei. Vielleicht schicke sie es zurück, wenn sie es ausgelesen habe.
Das werde sie sowieso nicht tun, erwiderte Annika und schloss die Augen, die ihr von der kurzen Zeit schon trocken brannten.
Ob sie einen Kaffee wolle, fragte Tammy und stand in dem Wissen um die Antwort auf.
Es kam auch nur ein leises Ja zurück, und es vergingen nur wenige Augenblicke, ehe eine Tasse dampfenden Kaffees auf dem kleinen Beistelltisch stand.
Wie denn die letzte Nacht gewesen sei, kam nun Tammy auf das eigentlich wichtige Thema zu sprechen.
Da Annika selbst noch keine Antwort auf diese Frage hatte, die sie sich zudem selbst stellte, schwieg sie erst einmal.
So schlimm, fragte Tammy, und jetzt musste Annika reagieren.
Nein, es sei wunderschön gewesen, erwiderte sie ihrer Freundin, doch sie sei noch nicht fit genug, um dieses Gespräch zu führen. Ob sie beide das Thema solange schieben könnten, bis sie wach genug sei, um ihrer Freundin die wichtigsten Inhalte zu berichten.
Dann solle sie mal aufstehen und eine Tasse Kaffee trinken, schlug Tammy vor. Währenddessen würde sie noch das eine oder andere Kapitel lesen und darauf warten, dass Annika endlich aufwache.
Annika hievte sich in eine sitzende Position, rieb sich die Augen, berührte ihr Handy und musste mit Erschrecken feststellen, dass bereits dreizehn Uhr durch war.
Wieso Tammy sie nicht früher geweckt hätte, wollte sie gähnend wissen.
Weil sie dachte, dass Annika den Schlaf nach der anstrengenden Nacht brauchen könne, sagte Tammy mit einem verschmitzten Lächeln.
Annika merkte, dass sie diese Unterhaltung nicht weiterführen brauchte, bis sie ihrer Freundin die Geschehnisse der Nacht in allen Details erzählt hatte. Daher versuchte sie aufzustehen, was ihr auch im zweiten Anlauf von der tiefen Couch gelang, und streckte sich in alle Richtungen. Sie spürte, wie das Leben in ihren Körper zurückkam und ihr Kreislauf in Schwung kam.
Schnell trank sie einen Schluck heißen Kaffee, dann noch einen zweiten hinterher, nahm die Tasse mit, um sie auf die Anrichte abzustellen, verließ das große Zimmer und ging ins Badezimmer.
Als sie ihr Gesicht im Spiegel zu sehen bekam, erschreckte Annika aus zweierlei Gründen. Der eine, offensichtliche Grund war, dass sie aussah, als wären ihre Haare in alle Richtungen explodiert, und insgesamt wirkte sie wie eine Schlafwandelnde. Das Schlimmere jedoch war die Scham, die sie in ihrem Gesicht zu entdecken glaubte. Auch wenn sie den gestrigen Abend und den Sex in der Nacht wie lange nichts mehr in ihrem Leben genossen hatte, ahnte sie dennoch, dass ihr diese Nacht mehr Kopfzerbrechen bereiten
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