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Ein Fall für Kay Scarpetta

Ein Fall für Kay Scarpetta

Titel: Ein Fall für Kay Scarpetta Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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begriff, was geschehen war.
    Die 38er war nicht geladen gewesen. Ich war so aufgeregt, so durcheinander gewesen, als ich zum Schlafen nach oben ging, daß ich vergessen hatte, meine Pistole zu laden. Die Patronen waren noch in der Schachtel unter einem Stapel von Pullovern in einer meiner Kommodenschubladen, wo Lucy nicht suchen würde.
    Er war tot. Er war tot, als er auf meinen Teppich fiel.
    "Er hatte auch seine Maske nicht abgestreift", fuhr Marino fort. "Unser Gedächtnis macht manchmal komische Sachen, wissen Sie?
    Ich habe ihm den Strumpf vom Gesicht gezogen, als Snead und Riggy ankamen. Da war er schon so tot wie Hundefutter."
    Er war nur ein Junge.
    Er war nur ein Junge mit einem blassen Gesicht und welligem, schmutzigblondem Haar. Sein Schnurrbart war nur ein schmutziger Flaum.
    Ich würde diese Augen nie vergessen. Sie waren Fenster, durch die ich keine Seele sehen konnte. Sie waren leere Fenster, die in eine Dunkelheit führten wie die, durch die er gestiegen war, als er diese Frauen ermordete, deren Stimmen er am Telefon gehört hatte.
    "Ich dachte, er hätte irgend etwas gesagt", murmelte ich zu Marino. "Ich dachte, ich hätte ihn irgend etwas sagen hören, als er fiel. Aber ich erinnere mich nicht." Zögernd fragte ich: "Hat er etwas gesagt?"
    "O ja. Er sagte etwas."
    "Was?" Ich nahm zitternd meine Zigarette vom Aschenbecher.
    Marino lächelte abfällig. "Die gleichen letzten Worte die in diesen kleinen schwarzen Kästen aufgenommen werden, wenn ein Flugzeug abstürzt. Die gleichen letzten Worte, die die meisten armen Hunde von sich geben Er sagte, >Oh, Scheiße.<"
    Eine Kugel hatte seine Hauptschlagader durchtrennt eine weitere seine linke Herzkammer zerrissen. Eine dritte hatte eine Lunge durchbohrt und war in seiner Wirbelsäule steckengeblieben. Die vierte hatte Weichteilgewebe durchschlagen, an allen lebenswichtigen Organen vorbei, und mein Fenster zerschmettert. Ich führte seine Autopsie nicht durch. Einer meiner Deputy Chiefs von Nord Virginia hinterließ den Bericht auf meinem Tisch. Ich erinnere mich nicht, ihn hergebeten zu haben, aber ich habe es wohl getan.
    Ich hatte die Zeitungen nicht gelesen. Ich konnte es nicht verkraften. Die Schlagzeile in der gestrigen Abendzeitung war bereits genug gewesen:
    KOMMISSAR ERSCHIESST WÜRGER IM SCHLAFZIMMER DER GERICHTSMEDIZINERIN
    Wundervoll. Ich fragte mich, was denken die Leute jetzt wohl, wer um zwei Uhr morgens in meinem Schlafzimmer war, der Mörder oder Marino? Wundervoll.
    Der erschossene Psychopath war ein Officer der Funkzentrale, der etwa vor einem Jahr von der Stadt eingestellt worden war. In Richmond arbeiten Zivilisten in der Funkzentrale, es sind keine Polizeibeamte. Er arbeitete in der Schicht von achtzehn bis vierundzwanzig Uhr. Sein Name war Roy McCorkle. Manchmal saß er in der Notrufzentrale. Manchmal arbeitete er als Funker, weshalb Marino die Stimme auf dem Band, das ich ihm am Telefon vorgespielt hatte, erkannte.
    Marino sagte mir nicht, daß er die Stimme erkannt hatte. McCorkle war am Freitag nicht bei der Arbeit gewesen. Er hatte sich krank gemeldet. Er war seit Abbys Artikel in der Donnerstagszeitung nicht mehr bei der Arbeit erschienen. Seine Kollegen hatten keine bestimmte Meinung von ihm, außer daß sie seine Art und seine Witze am CB-Funk lustig fanden. Sie machten sich wegen seiner häufigen Toilettenbesuche über ihn lustig. Er wusch sich ständig die Hände, das Gesicht, den Nacken. Ein Kollege war einmal dazugekommen und hatte gesehen, wie McCorkle praktisch ein Schaumbad nahm. In der Herrentoilette der Funkzentrale befand sich ein Borawasch Seifenspender.
    Er war ein unauffälliger Typ. Keiner seiner Kollegen kannte ihn wirklich gut. Sie nahmen an, daß er sich nach Feierabend mit einer Frau traf, "einer gutaussehenden Blondine" mit Namen "Christie". Es gab keine Christie. Die einzigen Frauen, die er nach Feierabend traf, waren die, die er tötete. Keiner seiner Kollegen konnte glauben, daß er der Würger war.
    Wir überlegten, daß McCorkle möglicherweise vor ein paar Jahren die drei Frauen in der Gegend von Boston ermordet haben könnte. Er war damals noch Lastwagenfahrer. Eine seiner Stationen war Boston, wo er Hühnchen an einen Abpackbetrieb lieferte. Aber wir konnten es nicht mit Sicherheit sagen. Wir werden vermutlich nie wissen, wie viele Frauen er im ganzen Land ermordet hatte. Es konnten Dutzende sein.
    Wahrscheinlich hatte er als Spanner angefangen, wurde dann zum Vergewaltiger. Er hatte keine

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