Ein Fall für Kay Scarpetta
Mörder war ... "
"Das war Abby!" brach es aus mir heraus. "Sie wollte mich sehen, mir ein paar Fragen stellen, sah Bills Auto und geriet in Panik ... "
Marino schien überrascht zu sein, aber nur einen Moment lang. Dann zuckte er mit den Achseln. "Egal. Hat trotzdem unsere Aufmerksamkeit erregt, oder?"
Ich sagte nichts. Tränen stiegen mir in die Augen.
"Es hat gereicht, um mir Angst zu machen. Tatsache ist, daß ich Ihr Haus schon eine ganze Weile beobachtet habe. Viele Nächte lang. Dann kommt diese verdammte Geschichte von der DNS Verbindung. Ich denke mir, das Früchtchen ist vielleicht schon hinter der Doktorin her. Jetzt wird er wirklich durc hdrehen. Die Geschichte wird ihn nicht in den Computer locken, sie wird ihn direkt zu ihr locken."
"Sie hatten recht", sagte ich räuspernd.
"Da haben Sie verdammt recht, daß ich recht hatte."
Marino hätte ihn nicht töten müssen. Niemand außer uns beiden würde das jemals erfahren. Ich würde es nicht erzählen. Es tat mir nicht leid. Ich hätte es selbst auch getan. Die 38er war nicht geladen.
Klick. Genau so weit wäre ich gekommen. Ich glaube, ich fühlte mich schlecht, weil ich mich nicht selbst hatte retten können, und ich wollte Marino nicht für mein Leben danken müssen!
Er redete immer so weiter. Langsam wurde ich wütend.
Da kam Wingo plötzlich herein.
"Äh." Er hatte die Hände in den Taschen und wirkte verunsichert, als Marino ihn ärgerlich ansah.
"Äh, Dr. Scarpetta. Ich weiß, daß Sie schwere Zeiten durchmachen. Ich meine, ich weiß, daß Sie immer noch traurig sind ... "
"Ich bin nicht traurig!"
Seine Augen weiteten sich. Er wurde bleich.
Ich senkte meine Stimme und sagte: "Es tut mir leid, Wingo. Ja. Ich bin traurig. Ich bin kaputt. Ich bin nicht ich selbst. Was wollen Sie?"
Er griff in eine Tasche seiner pastellblauen Seidenhosen und zog eine Plastiktüte heraus, in der sich ein Zigarettenstummel, Marke Benson & Hedges 100, befand.
Er legte sie vorsichtig auf meine Schreibtischunterlage.
Ich sah ihn verständnislos an und wartete.
"Äh, na ja, vielleicht erinnern Sie sich, daß ich Sie über den Commissioner ausfragte, ob er Nichtraucher ist und all so was?"
Ich nickte.
Marino wurde ungeduldig. Er blickte um sich, als wäre er gelangweilt.
"Sehen Sie, da ist mein Freund Patrick. Er arbeitet in der Rechnungsabteilung gegenüber, im gleichen Gebäude, in dem Amburgey arbeitet. Na ja." Er wurde rot. "Patrick und ich, wir treffen uns manchmal an seinem Auto und gehen zusammen essen. Sein Parkplatz ist etwa zwei Reihen hinter dem von Amburgey. Wir haben ihn schon öfter gesehen."
"Öfter gesehen?" fragte ich verblüfft. "Amburgey öfter gesehen?
Wobei?"
Wingo beugte sich herüber zu mir und vertraute mir an: "Ihn rauchen gesehen, Dr. Scarpetta." Er richtete sich auf. "Ich schwöre es. Am Vormittag und gleich nach dem Mittagessen haben Patrick und ich in dem Auto gesessen, in Patricks Auto, haben geredet und Musik gehört. Wir haben gesehen, wie Amburgey in seinen schwarzen New Yorker stieg und sich eine Zigarette anzündete. Er benützt nicht einmal den Aschenbecher, weil er nicht will, daß es irgend jemand erfährt. Er schaut sich die ganze Zeit um. Dann schnippt er den Stummel aus dem Fenster, schaut sich noch einmal um und trottet zurück in das Gebäude, wobei er sich Atemspray in den Mund spritzt... " Er starrte mich verwundert an.
Ich lachte so sehr, daß ich fast heulte. Es war vermutlich ein Anfall von Hysterie. Ich konnte nicht mehr aufhören. Ich hämmerte auf den Tisch und wischte mir die Augen. Ich bin sicher, man konnte mich im ganzen Stockwerk hören.
Jetzt fing Wingo an zu lachen, erst verlegen, dann konnte auch er nicht mehr aufhören.
Marino sah uns beide mit finsterem Blick an, als wären wir geisteskrank. Dann unterdrückte er ein Lächeln. Eine Minute später lachte er ebenfalls schallend und erstickte fast an seiner Zigarette.
Schließlich fuhr Wingo fort: "Die Sache ist die ..." Er atmete tief ein. "Die Sache ist die, Dr. Scarpetta, ich habe gewartet, bis er fertig war, und als er weg war, bin ich zu seinem Auto rüber und habe den Stummel aufgehoben. Ich habe ihn direkt ins Serologielabor zu Betty gebracht, damit sie ihn untersucht."
Ich schnappte nach Luft. "Was haben Sie getan? Sie haben den Stummel zu Betty gebracht? War es das, was Sie ihr kürzlich gegeben hatten? Wozu? Um seinen Speichel zu untersuchen?
Wozu?"
"Seine Blutgruppe. Es ist AB, Dr. Scarpetta."
"Mein Gott."
Ich begriff den
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