Ein Fall für Perry Clifton
Messer. Dabei hat er nur einen verrosteten Büchsenöffner dran...“
Während seiner langatmigen Erklärung hat Dicki den Bindfaden, der das Paket zusammenhielt, in eine Unmenge kleiner Stücke zersäbelt. Vorsichtig hebt er den Deckel hoch — und starrt entgeistert auf den Inhalt.
„Hallo, Mister Clifton...“
„Was ist, Dicki...?“
Perry will gerade den Kessel auf die Gasflamme stellen.
„Was ist denn drin?“
Als Dicki schweigt, wendet er sich um und macht ein paar Schritt zu diesem hin. Da haben seine Augen den obersten Teil des Inhalts erfaßt. Mit einem Sprung ist er bei Dicki.
„Die Dame mit dem schwarzen Dackel“, ruft er aus und wirft die Sachen einzeln auf den Tisch: Einen Anzug, eine weiße Perücke, eine Uniformjacke, eine Uniformhose und eine Schirmmütze...
„Der Hauptmann der Heilsarmee und der komplette weißhaarige Gentleman...“
Dicki blickt noch immer entgeistert auf die Kleidungsstücke.
„Sie glauben, daß sie die Sachen geschickt hat?“
„Sie war selbst da, Dicki. Der Polizist war niemand anderes als die Dame mit dem schwarzen Dackel.“
Es vergehen Minuten, bis Dicki das verdaut hat. Die Dackeldame war also hier. Vielleicht gar zu der Zeit, als Dicki sein neues Messer kaufen ging.
Perry untersucht die Taschen der Uniform. Aber er findet nichts. Keinen Hinweis auf den wirklichen Besitzer.
Da bückt sich Dicki plötzlich.
„Hier, Mister Clifton, ein Brief...“
„Sieh einer an, die Dame schreibt mir sogar einen Brief.“
Ohne ein Zeichen besonderer Aufregung nimmt ihn Perry Dicki aus der Hand und schlitzt ihn auf. Dickis Augen hängen gebannt an Perrys Gesicht.
„Ist es wieder eine Drohung?“ fragt er mit belegter Stimme.
Perry überfliegt die Zeilen, dann antwortet er:
„Eher das Gegenteil. Willst du hören, was die Lady schreibt?“
Dicki nickt heftig.
„Lieber Mister Clifton! Ich habe Sie unterschätzt. Aber ich möchte mich mit Ihnen treffen — versteht sich: ohne Polizei. Bei dieser Gelegenheit will ich Ihnen etwas übergeben, wofür Sie sicherlich Interesse haben werden. Ich vertraue Ihnen also, und damit Sie sehen, daß ich es ernst meine, übergebe ich Ihnen hiermit zwei meiner Verkleidungen. Kommen Sie morgen nachmittag um zwei Uhr in die Gartenanlagen von Sheltmans. Im zweiten Nebengang finden Sie eine dunkelblau gestrichene Hütte. Das soll der Treffpunkt sein. Sie werden erwartet.“
Dicki schluckt schwer.
„Werden Sie hingehen?“
„Selbstverständlich“, erwidert Perry und stopft die Kleidungsstücke in den Karton zurück.
„Aber es ist bestimmt gefährlich“, gibt Dicki zu bedenken.
„Ich glaube nicht.“
„Und wenn es eine Falle ist?“ Dicki ist nicht so schnell zu beruhigen.
„Es wird weniger eine Falle als ein Ablenkungsmanöver sein. Wenn die gute Judith Corano wüßte, wie nah ich ihr schon auf den Fersen bin, würde sie auf solche Mätzchen verzichten.“
„Judith Corano...? Wer ist das?“
„Stimmt“, erinnert sich Perry. „Du hast ja keine Ah nung, daß ich heute noch einmal bei Madame Porelli war ..
Und dann macht Dicki kugelrunde Augen, als ihm Perry die Geschichte von der Zwillingsschwester der Madame Porelli erzählt.
„Ob wir sie erwischen?“ fragt er atemlos, denn für ihn steht es fest, daß er dabeisein wird.
„Wir werden sie erwischen, Dicki... schon sehr bald!“
Die großen Zeiger auf dem gewaltigen Zifferblatt an der anglikanischen Kirche in Brixton zeigen fünf Minuten bis vierzehn Uhr.
Vom Himmel, der eben noch die Farbe eines bleiernen Grau hatte, fällt jetzt leiser Nieselregen.
Langsam biegt der Morris, eine schwarze Spur auf dem lackglänzenden Asphalt hinterlassend, in die Bridge-Street ein. Meterweit hört man das Quietschen seiner Scheibenwischer, die in stereotyper Gleichmäßigkeit über die Panoramascheibe gleiten.
Mit abgestelltem Motor fährt der Wagen auf die Einfahrt zu Sheltmans Gartenanlagen zu.
Es ist dreizehn Uhr achtundfünfzig, als Perry Clifton den Morris genau vor der Einfahrt zum Stehen bringt...
Perry nickt Dicki kurz zu. „Abgemacht, Dicki, solltest du was Verdächtiges bemerken, drückst du zweimal auf die Hupe.“
„Mach ich, Mister Clifton“, antwortet Dicki mit leiser Stimme.
Mit weitausholenden Schritten strebt Perry Clifton dem zweiten Nebenweg zu, während er aus den Augenwinkeln heraus die Umgebung mustert. Aber niemand scheint Lust zu verspüren, an einem solchen regnerischen Novembertag seine Zeit im Garten zu verbringen.
Das Schlagwerk in der
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