Ein Fest der Liebe – Nacht der Wunder
Angus”, bat sie leise. “Ich muss Lizzie jetzt diese nassen, kalten Kleider ausziehen.”
Sichtlich widerwillig trat Angus zur Seite, nickte Lizzie zu und schloss leise die Tür hinter sich.
“Was ist da draußen geschehen?”, fragte Lorelei, während sie energisch die Knöpfe von Lizzies Schuhen öffnete.
“Eine Lawine”, erklärte Lizzie. Die Wärme des Raums ließ ihre Haut brennen, und sie fragte sich, ob sie irgendwelche Erfrierungen hatte. Vielleicht würde sie Finger oder sogar ein Ohr verlieren. Tränen traten in ihre Augen. Sie
lebte
noch, alles andere war unwichtig. Und sie war zu Hause – oder fast zu Hause. “Ich habe nicht eine Sekunde lang daran gezweifelt, dass Dad und die anderen uns retten.” Ihr Gewissen meldete sich. “Na ja, vielleicht ganz
kurz
mal …”, gestand sie.
Lächelnd fuhr Lorelei fort, Lizzie die Kleider abzustreifen, um ihr dann ein langes Flanellnachthemd anzuziehen. “Du warst zäh wie eine echte McKettrick”, sagte Lorelei, als sie die Bettdecke bis an Lizzies Kinn zog. “Wir alle sind sehr stolz auf dich.”
“Was ist mit den anderen, Morgan, Whitley … die Kinder?”
“Sie werden alle versorgt, Liebling. Mach dir keine Gedanken.”
Seufzend schloss Lizzie die Augen. “Ich hoffe, das ist nicht nur ein Traum. Ihr seid doch wirklich hier, oder, Lorelei? Du und Dad und Grandpa …?”
“Schlaf, Lizzie”, erwiderte Lorelei mit Tränen in der Stimme. “Das ist kein Traum. Du bist zu Hause in Indian Rock bei deiner Familie.”
Sie dachte an das Ehepaar Thaddings, das damit rechnete, dass Miss Clarinda Adams hier eine Schneiderei betrieb und kein erstklassiges Bordell. Ob Miss Adams sie und Woodrow überhaupt aufnehmen würde? Oder würde das Paar sich weigern, in dem Bordell unterzukommen?
Offensichtlich besaßen die beiden alten Menschen kaum Geld.
“Da ist so ein älteres Paar – sie haben einen Vogel dabei – und sie denken, Clarinda Adams verdient ihr Geld mit dem Schneidern von Kleidern.”
Lorelei tätschelte Lizzies Hand. “Clarinda ist nicht mehr hier. Sie hat einen ihrer Kunden geheiratet und ist vor drei Monaten Richtung Osten gezogen.”
“Aber Mr. und Mrs. Thaddings – sie gehen davon aus, bei ihr wohnen zu können.”
“Wir kümmern uns um alle, Lizzie, also hör auf, dir Sorgen zu machen. Du musst dich jetzt erst einmal ausruhen.”
“Dieser Vogel …”
“Still jetzt.” Lorelei küsste Lizzie auf die Stirn. “Ich verspreche dir, für die Thaddings
und
ihren Vogel eine Unterkunft zu finden.”
Endlich schlief Lizzie ein.
Morgan musterte seine neue Unterkunft. Die Stadt hatte ihm in dem Hotel ein kleines Büro, einen Untersuchungsraum und dahinter einen hübsch eingerichteten Wohnbereich bereitgestellt. Auf einem Regal über dem kleinen Herd entdeckte er eine Dose Kaffee. Er setzte Wasser auf.
Sein Bett war nur wenige Schritte entfernt. Es war schmal und frisch bezogen. Außerdem gab es noch eine Badewanne, ein viel zu großes Ding mit einem komplizierten System von Rohren und einem Heißwassertank aus Kupfer, der an der Wand darüber hing.
Er lächelte in sich hinein. Wenn seine Mutter ihn sehen könnte!
Morgan ließ die Badewanne mit dampfendem Wasser volllaufen. Sein Gepäck war immer noch im Zug. Doch die McKettricks hatten ihm Kleider zum Wechseln gegeben und Rasierzeug, Seife und eine kleine Flasche Whiskey.
Nachdem er den Kaffee in eine angeschlagene Tasse gefüllt und einen anständigen Schuss Whiskey hinzugefügt hatte, ließ er sich in die Wanne gleiten.
Das Bad war ein Segen, genau wie der Kaffee. Doch das Schönste von allem war, dass Lizzie eine Etage höher in einem Zimmer lag und von ihrer Stiefmutter umsorgt wurde.
John Brennans Familie hatte ihn empfangen. Zwei Männer hatten ihn nach Hause getragen. Wenn er diese Nacht überstand, hatte er gute Chancen zu überleben.
Whitley Carson schlief in einem der Hotelzimmer, genauso die Halifax’. Die Thaddings’ waren mit Woodrow ins Haus von Clarinda Anders gefahren. Wohin der Vertreter gebracht worden war, hatte Morgan nicht gesehen. Aber er vermutete, dass auch ihn Familie oder Freunde empfangen hatten. Jetzt also konnte er sich endlich erlauben, einfach nur sehr, sehr erleichtert zu sein, ein müder Mann und kein Arzt.
Er trank den Kaffee aus und lag im Wasser, bis es kalt wurde, dann rasierte er sich hastig und stieg aus der Wanne. Er streifte die geliehenen Kleider über und ging in die Lobby, die so überfüllt war, als ob jemand ein Fest feiern
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