Ein Fest der Liebe - Nacht der Wunder
fünf Meilen hinter uns biegen die Gleise ab. Von dort sind es noch einmal zehn Meilen nach Stone Creek. Und nach Indian Rock sind es von hier wahrscheinlich zwanzig oder mehr Meilen.”
Morgan nickte. “Wenn sie morgen früh nicht hier sind, werde ich versuchen, nach Stone Creek durchzukommen.”
“Sie werden hier gebraucht, Doc”, widersprach der Vertreter. “Ich bin nicht mehr so jung, wie ich einmal war, aber ich habe noch immer eine Menge Schneid und ein Paar kräftige Beine. Außerdem kenne ich die Gegend hier ziemlich gut – im Gegensatz zu Ihnen.”
Lizzie, Mrs. Halifax und Ellen kamen bibbernd zurück. Lizzie kämpfte mit dem Wind, um die Tür der Kombüse wieder zu schließen.
Morgan und der Vertreter ließen das Thema fallen.
Kurz darauf löschten sie das Licht und aßen in der Dunkelheit von der Suppe. Danach suchte sich jeder einen Platz zum Schlafen.
Als Morgan am nächsten Morgen die Augen öffnete, wusste er sofort, dass es zu schneien aufgehört hatte. Er setzte sich auf, sah sich um und entdeckte als Erstes Lizzie. Sie schlief noch, aufrecht auf der Bank und in eine Decke gewickelt. John Brennan, Mrs. Halifax und ihre Kinder schliefen ebenfalls. Whitley Carson jedoch starrte ihn mit einem Buch in der Hand an.
“Der Vertreter ist weg”, verkündete er. “Er ist vor Tagesanbruch gegangen.”
5. KAPITEL
L izzie träumte von zu Hause. Sie wachte in ihrem eigenen Zimmer auf und lauschte den lieb gewonnenen, morgendlichen Geräuschen eines Farmhauses: ratternde Ofenklappen unten in der Küche, das Murmeln vertrauter Stimmen, die den Tag planten. Es roch nach einer Mischung aus starkem Kaffee, Holzrauch und Bienenwachs, mit dem Lorelei regelmäßig die Möbel polierte.
Heiligabend war bei den McKettricks zwar ein ganz besonderer Tag, aber trotzdem musste natürlich die Arbeit erledigt werden. Die Rinder und Pferde brauchten Heu und Wasser, die Kühe mussten gemolken, das Holz gehackt und ins Haus gebracht und die Eier im Hühnerstall eingesammelt werden. Hinter den fest verschlossenen Türen vom Arbeitszimmer ihres Vaters verbarg sich ein gigantischer, mit glitzerndem Lametta geschmückter Tannenbaum. Der satte Kiefernduft drang durch die Bodendielen bis in den zweiten Stock hinauf.
Im Laufe des Tages würden die Onkel und Tanten und Cousins und Cousinen ankommen, in Schlitten oder – falls die Straßen frei waren – in Planwagen oder auf Pferden. Sie würden gemeinsam essen, Geschichten erzählen, viel lachen und sich gegenseitig kleine Geschenke machen. Am Abend nach der Messe in der Stadtkirche würden sie sich alle im Haupthaus treffen, um der dunklen Stimme von Angus zu lauschen, der aus dem Lukasevangelium vorlas:
Und es waren Hirten in derselben Gegend auf dem Felde bei den Hürden, die hüteten des Nachts ihre Herde …
Tränen hingen an Lizzies Wimpern, weil sie wusste, dass sie träumte. Sie wusste, dass sie nicht auf Triple M war, wo sie hingehörte, sondern unter Schnee begraben in einem Zug hoch in den gefährlichen Bergen festsaß.
Der Duft von Kaffee allerdings war real, was ihr die Kraft gab, die Augen zu öffnen. Ihre Frisur sah bestimmt entsetzlich aus. Außerdem musste sie nach draußen gehen. Ihr Blick fiel zuerst auf Morgan, so wie eine Kompassnadel automatisch nach Norden schwingt. Er stand zerzaust und verschlafen neben dem Herd, wo er gerade eine Tasse Kaffee einschenkte.
Dann kam er zu ihr und reichte ihr die Tasse.
Diese kleine Geste erschien Lizzie bedeutsam.
“Heute ist Heiligabend”, sagte sie.
“Das stimmt.” Morgan lächelte matt.
Whitley, das gebrochene Bein auf eine Bank gelegt, sah sie an. “Guten Morgen, Lizziebet.”
Sie nickte ihm leicht zu, verlegen wegen des Spitznamens, und nippte an dem Kaffee. Offenbar hatte Whitley seine Entschuldigung am Tag zuvor ernst gemeint. Er zeigte sich von seiner besten Seite. Allerdings wusste sie nicht, was sie davon halten sollte.
“Wo ist Mr. Christian?”, fragte sie Morgan, nachdem sie sich umgeschaut hatte. In der Kombüse war es trotz des Feuers in dem kleinen Ofen kühl. “Sucht er nach Feuerholz?”
Whitley und Morgan tauschten einen Blick, Whitley hob beide Augenbrauen, sagte aber nichts.
“Er hat sich auf den Weg nach Stone Creek gemacht”, informierte Morgan sie.
Vor Schreck verschüttete Lizzie fast ihren Kaffee. “
Stone Creek?
Das ist meilenweit entfernt …” Sie hielt verärgert inne. “Und Sie haben ihn einfach
gehen lassen
?”
Whitley beschloss, sich doch an dem Gespräch
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