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Ein Feuer Auf Der Tiefe

Ein Feuer Auf Der Tiefe

Titel: Ein Feuer Auf Der Tiefe Kostenlos Bücher Online Lesen
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hatte fast keine Erinnerung an die ersten Tage, nachdem er gestorben war, nach dem Schmerz vom Ende des ALTEN. Schemenhafte Gestalten, anonyme Worte. Jemand sagte, er sei im automatischen Chirurgen des Schiffes am Leben erhalten worden. Er erinnerte sich an nichts davon. Warum sie den Körper am Atmen gehalten hatten, war ein Rätsel und eine Dreistigkeit. Schließlich waren die tierischen Reflexe wieder zum Leben erwacht. Der Körper begann aus eigenem Antrieb zu atmen. Die Augen öffneten sich. Kein Hirnschaden, sagte Grünmuschel (?), eine vollständige Genesung. Die Hülse, die ein Lebewesen gewesen war, äußerte keinen Widerspruch.
    Was von Pham Nuwen übrig war, verbrachte eine Menge Zeit auf der Brücke der ADR. Von früher her erinnerte ihn das Schiff an einen fetten Saukäfer. In dem Stroh, mit dem der Boden in der Großen Halle im Schloss seines Vaters auf Canberra bedeckt wurde, waren die Käfer oft vorgekommen. Die kleinen Kinder hatten mit ihnen gespielt. Die Viecher hatten keine richtigen Beine, nur ein Dutzend federartige Dornfortsätze, die aus einem Chitin-Thorax hervorragten. Egal, wie man sie herumwarf, diese Dorne oder Fühler ließen den Käfer zucken, und er lief weiter, egal, ob seine ehemalige Unterseite jetzt oben war. Ja, die Ultraantriebs-Dorne der ADR ähnelten ziemlich denen eines Saukäfers, wenngleich sie nicht so feingliedrig waren. Und der Körper selbst war dick und glatt, in der Mitte etwas enger.
    Pham Nuwen war also in einem Saukäfer gelandet. Wie passend für einen Toten.
    Und nun saß er auf der Brücke. Die Frau brachte ihn oft hierher; sie schien zu wissen, dass es ihn fesseln konnte. Die Wände waren Bildschirme, besser, als er sie je zu seiner Zeit als Handelsmann gesehen hatte. Wenn die Fenster einen Blick durch die Kameras des Schiffes zeigten, war die Aussicht so gut wie nur jemals von einer Kristallkanzel-Brücke in der Dschöng-Ho-Flotte.
    Es glich einem Stück aus einem ungemein grobschlächtigen Phantasiegebilde – oder einer grafischen Simulation. Wenn er lange genug dasaß, konnte er richtig sehen, wie sich die Sterne am Himmel bewegten. Das Schiff machte etwa zehn Ultrasprünge pro Sekunde: Sprung, Neuberechnung und wieder Sprung. In diesem Teil des Jenseits konnten sie pro Sprung ein Tausendstel Lichtjahr zurücklegen – auch mehr, aber dann würde die Neuberechnung wesentlich länger dauern. Bei zehn pro Sekunde ergab das mehr als dreißig Lichtjahre pro Stunde. Die Sprünge selbst konnten mit menschlichen Sinnen nicht wahrgenommen werden, und zwischen den Sprüngen herrschte Schwerelosigkeit mit derselben Inertialgeschwindigkeit, die sie beim Abflug von Relais gehabt hatten. Es gab also keine Dopplerverschiebung wie bei relativistischen Flügen; die Sterne waren so rein, wie man sie an einem Wüstenhimmel oder bei langsamem Durchflug sah. Ohne Hin und Her glitten sie einfach über den Himmel, je näher, um so schneller. In einer halben Stunde flog er weiter als in einem halben Jahrhundert mit der Dschöng Ho.
    Grünmuschel schwebte eines Tages auf die Brücke und begann die Fenster zu wechseln. Wie üblich sprach sie dabei zu Pham, im Plauderton, als gäbe es eine wirkliche Person, die ihr zuhörte: »Sehen Sie. Das mittlere Fenster ist eine Ultrawellen-Karte des Gebiets direkt hinter uns.« Grünmuschel winkte mit einer Ranke über das Pult. Die mehrfarbigen Bilder erschienen an den anderen Wänden. »Das Gleiche für die übrigen fünf Raumrichtungen.«
    In Phams Ohren waren die Worte ein bedeutungsloses Geräusch, das er verstand, das ihn aber nichts anging. Der Skrodfahrer schwieg und fuhr dann fort, mit einer Art vergeblicher Hartnäckigkeit, wie er sie von der Frau Ravna kannte.
    »Wenn Schiffe einen Sprung vollführen…, beim Wiedereintritt gibt es eine Art Ultrawellen-Spritzer. Ich überprüfe, ob wir verfolgt werden.«
    Farben auf den Fenstern ringsum, sogar vor Phams Augen. Es gab fließende Abstufungen, helle auffällige Flecke, keine Linienmuster.
    »Ich weiß, ich weiß«, sagte sie und übernahm beide Seiten des Gesprächs. »Die Analyseprogramme des Schiffs sammeln noch Daten. Aber wenn uns jemand näher als auf einhundert Lichtjahre folgt, sehen wir ihn. Und wenn sie weiter weg sind – nun, dann können sie uns wahrscheinlich nicht orten.«
    Egal. Fast sperrte Pham die Frage aus seinem Bewusstsein aus. Aber es gab keine Sterne, die er anblicken konnte; er starrte die glühenden Farben an und dachte tatsächlich über das Problem nach. Er

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