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Ein Feuer Auf Der Tiefe

Ein Feuer Auf Der Tiefe

Titel: Ein Feuer Auf Der Tiefe Kostenlos Bücher Online Lesen
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das verwundete Glied. »Ich bin nicht sicher, ob es klappt. Schreiber war keine Person mit einer losen Seele, alles andere als ein Pilger. Und momentan kann ich überhaupt keine Übereinstimmung mit ihm finden.«
    Johanna ließ sich zurücksinken. Narbenhintern war nicht an allem schuld, was im Weltall schiefging.
    »Holzschnitzerin hat hervorragende Züchter. Vielleicht lässt sich etwas anderes Passendes finden. Aber du musst verstehen – für erwachsene Glieder ist es schwer, sich neu einzufügen, vor allem für Nichtsprecher. Einzelne Fragmente wie Ya sterben aus eigenem Willen, sie hören einfach auf zu essen. Oder manchmal… Geh ab und zu zum Hafen hinunter und sieh dir die Arbeiter an. Du wirst ein paar große Rudel dort sehen – aber mit dem Verstand von Idioten. Sie können sich nicht zusammenhalten; beim kleinsten Problem laufen sie in alle Richtungen auseinander. So enden die unglücklichen Neurudel…« Narbenhinterns Stimme lief zwischen zweien von seinen Gliedern hin und her und verstummte schließlich. Alle seine Köpfe wandten sich Ya zu. Das Glied hatte die Augen geschlossen. Schlief es? Es atmete noch, doch es klang irgendwie gurgelnd.
    Johanna blickte durch den Raum zu der Falltür zum Boden. Holzschnitzerin hatte einen einzelnen Kopf durch die Öffnung herabgestreckt. Das kopfstehende Gesicht erwiderte Johannas Blick. Zu einem anderen Zeitpunkt wäre der Anblick komisch gewesen. »Wenn nicht ein Wunder geschieht, ist Schreiber heute gestorben. Du musst das verstehen, Johanna. Aber wenn das Fragment am Leben bleibt, wenigstens für kurze Zeit, werden wir wahrscheinlich den Mörder finden.«
    »Wie, wenn er sich nicht mitteilen kann?«
    »Ja, aber er kann es uns immer noch zeigen. Ich habe Feilonius’ Leuten befohlen, das Personal in den Wohnungen festzuhalten. Wenn Ya sich etwas beruhigt hat, werden wir jedes Rudel auf der Burg an ihm vorbeigehen lassen. Das Fragment erinnert sich gewiss, was Schreiber widerfahren ist, und will es uns sagen. Wenn unter den Mördern einer von unseren Leuten ist, wird er ihn erkennen.«
    »Und er wird sich bemerkbar machen.« Ganz wie ein Hund.
    »Richtig. Die Hauptsache ist also, ihm jetzt Sicherheit zu geben… und zu hoffen, dass unsere Ärzte ihn retten können.«
     
    Die Reste Schreibers fand man ein paar Stunden später, auf einem Eckturm auf der alten Mauer. Feilonius sagte, anscheinend seien ein oder zwei Rudel aus dem Wald gekommen und hätten den Turm erklettert, vielleicht in der Hoffnung, ins Innere der Burg schauen zu können. Es sah ganz nach einem ungeschickten ersten Versuch aus: Von dem Turm aus war nichts von Interesse zu sehen, nicht einmal an einem klaren Tag. Doch für Schreiber war es zum Verhängnis geworden. Anscheinend hatte er die Eindringlinge überrascht. Fünf von seinen Gliedern waren auf verschiedene Art von Pfeilen durchbohrt, zerhackt, geköpft worden. Das sechste, Ya, hatte sich auf dem schrägen Steingefüge am Fuße der Mauer das Rückgrat gebrochen. Johanna ging am Tag darauf hinaus zu dem Turm. Selbst von unten sah sie bräunliche Flecken auf der Brüstung. Sie war froh, dass sie nicht hinaufgehen konnte.
     
    Ya starb in der Nacht, wenn auch nicht von Feindeshand; er befand sich die ganze Zeit unter dem Schutz von Feilonius.
    Ein paar Tage lang war Johanna sehr schweigsam. Nachts weinte sie ein bisschen. Zum Teufel mit ihrer ›ärztlichen Kunst‹. Ein gebrochenes Rückgrat konnten sie diagnostizieren, aber innere Verletzungen und Blutungen – davon hatten sie keine Ahnung. Holzschnitzerin schien berühmt zu sein für ihre Theorie, dass das Herz das Blut durch den Körper pumpt. Vielleicht noch tausend Jahre, und sie könnte mehr leisten als ein Metzger!
    Eine Zeit lang hasste sie alle: Narbenhintern aus all den alten Gründen, Holzschnitzerin für ihre Unwissenheit, Feilonius dafür, dass er Flenseristen so nahe an die Burg herangelassen hatte…, und Johanna Olsndot dafür, dass sie Schreiber zurückgewiesen hatte, als er ihr Freund zu sein versuchte.
    Was würde Schreiber jetzt sagen? Er hatte gewollt, dass sie ihnen vertraute. Er hatte gesagt, Narbenhintern und die anderen seien gute Leute. Eines Nachts, etwa eine Woche später, war sie drauf und dran, mit sich selbst Frieden zu schließen. Sie lag auf ihrer Pritsche, die Decke schwer und warm über sich. Die an die Wand gemalten Muster schimmerten matt im Glutschein. Also gut, Schreiber. Um deinetwillen… will ich ihnen vertrauen.

 
     
ZWANZIG
     
    Pham Nuwen

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