Ein ganz schoen starker Plan
holen und mich zusammenreißen, um positiv zu klingen.
»Hallo«, sagte ich. »Was macht die Gicht?«
»Wie oft muss ich das noch sagen? Ich bin nur mit dem Knie gegen den Wohnzimmertisch gestoßen. Und das war vor über einem halben Jahr.«
»Das höre ich gern. Uns geht es auch allen gut. Ich muss jetzt weiter Aufgaben machen«, sagte ich und hoffte, dass das Gespräch an diesem Tag kurz ausfallen würde.
»Erzähl doch mal, wie es euch geht, bitte.«
»Plus-minus ganz normal. Ida macht in der Badewanne Toast, ich jongliere mit Messern, und Papa hat das Schlafzimmer voll mit nackten Frauen.«
»Håkon!«, sagte Großmutter vorwurfsvoll. »Ich tippe, ihr seid allein.«
»Tippst du jetzt neuerdings?«, fragte ich und fürchtete für einen Moment, Papa könnte sie informiert haben.
»Dein Vater treibt sich wohl mit irgendeiner Frau herum.«
»Nein, Keramik, wie üblich.« Papa setzte gerade auf Tassen und Schüsseln und machte einen zeitraubenden Abendkurs für Keramik.
»Soll ich rüberkommen und euch bei den Aufgaben helfen?«
»Nicht doch, nicht doch, hier ist alles in bester Ordnung. Niemand hat sich verletzt oder wird sich verletzen. Wir machen einen großen Bogen um den Wohnzimmertisch.«
»Das mit dem Wohnzimmertisch ist über ein halbes Jahr her.«
»Warum redest du dann noch immer darüber?«
»Das reicht jetzt, Håkon. Gib mir mal Ida!«
»Ich fand es auch nett, mit dir zu reden. Alles Gute für die Gicht«, sagte ich und gab Ida den Hörer. Sie wusste genau, wie sie Oma beruhigen konnte. Auch sie verriet nicht, dass Papa verreist war.
Ich malte auf, wie Oma zusammengesetzt war.
Sowie Ida zum dritten Mal beteuert hatte, dass alles in Ordnung sei, und sich von Oma verabschiedete, zeigte ich ihr eine Liste mit Vorschlägen für den Abend.
Wasserrutsche bauen
Hüpfburg aus Kissen im Wohnzimmer aufbauen
Beim Essen auf dem Kopf fernsehen
Draußen auf dem Gang Schlagball mit Wasserballons spielen
»Ich glaube, ich mache Hausaufgaben«, sagte Ida trocken und setzte sich an den Tisch.
»Oder Hausaufgaben machen. Das hätte ganz oben stehen müssen, zusammen mit Spülen und Aufräumen. Warum ist mir das bloß nicht eingefallen?«, fragte ich säuerlich.
Ida benutzte fast niemals irgendwelche Ausreden. Ihr war die Vernunft für die ganze Familie zugeteilt worden, und sie fand es wichtiger, zu tun, worum sie gebeten wurde. Manchmal fragte ich mich, ob wir überhaupt verwandt sein könnten. »Altklug«, hatte Papa sie einmal genannt. Andererseits: Es wäre vielleicht zu viel des Guten gewesen, wenn Ida auch noch meine einzigartigen Fähigkeiten gehabt hätte.
Natürlich hätte ich an diesem Abend ebenso langweilig sein müssen wie sie. Am nächsten Tag war wieder Schule und mein Ausredenlager war fast leer. Dass Papa weggefahren war, war zwar eine gute und wahre Entschuldigung, aber ich konnte sie ja nicht benutzen.
Ich setzte mich ihr gegenüber an den Tisch und zog meine Schulbücher aus der Schultasche.
»Ich dachte, wir könnten heute Abend Kartoffelchips mit Ketchup essen«, sagte ich.
»Das klingt gut«, antwortete Ida. Ich erwiderte ihr Lächeln, ging in mein Zimmer und schob die Hand hinter die Schublade unter dem Bett. Dann zog ich eine Plastiktüte heraus. In der Tüte steckte ein Schuhkarton und in dem Schuhkarton lag eine kleine Schachtel und in der Schachtel hatte ich eine Tüte Gummifrösche, die ich für eine ganz besondere Gelegenheit aufbewahrt hatte.
»Vorspeise«, teilte ich mit und servierte die Frösche auf einem Teller.
»Mm«, sagte Ida und steckte einen in den Mund, ehe sie besorgt die Stirn runzelte: »Wird das hier einer von deinen irren Einfällen?«
»Wie meinst du das?«, fragte ich und spielte den Beleidigten.
»Es ist nicht so einfach, allein zurechtzukommen.«
»Ich verspreche dir, ich werde ein verantwortungsbewusster großer Bruder werden. Ich hab schon Schlimmeres geschafft.«
»Was denn zum Beispiel?«
Ich überlegte, während ich auf dem Frosch herumlutschte. »Ich hab dem Lehrer eingeredet …«
»Ausreden zählen nicht.«
Ich hatte an diesem Tag ein leeres Echo im Kopf.
»Ich hab einmal mit dem Mund einen Goldfisch gefangen.«
»Was hat das damit zu tun, dass wir allein zu Hause sind?«
Das war eine gute Frage. Und zu der gehörte eine gute Antwort. Das war jetzt aber schwer.
»Das war auch nicht so einfach. Außerdem lüge ich ja mit dem Mund«, erklärte ich und begriff sofort, dass ich das Gespräch auf ein anderes Thema bringen musste.
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