Ein ganzes Leben mit dem Asperger-Syndrom
Depression kann es auch kommen, wenn derjenige für die Arbeit überqualifiziert ist. So kann ein Betroffener einen Abschluss im Bereich Informationstechnologie haben, bekommt aber nur eine Stelle als Hilfsarbeiter oder im Supermarkt zum Nachfüllen der Regale. Eine Beschäftigung, die einen ausfüllt und in der man anerkannt wird, kann also eine vorbeugende Maßnahme gegen Depressionen sein.
Zum Schluss möchte ich noch sagen, dass ich einige Berufe kenne, die sich besonders für Menschen mit Asperger-Syndrom eignen. Universitäten sind bekannt dafür, dass sie auch ungewöhnliche Charaktere tolerieren, besonders, wenn diese Originalität und Forschungseifer an den Tag legen. Ich betone immer wieder, dass Universitäten nicht nur unsere »Kathedralen« der Wissenschaftshuldigung sind, sondern auch eine Art »Behindertenwerkstätten« für Menschen mit sozialen Problemen.
Weitere vorstellbare Berufe
Es gibt noch eine Reihe weiterer Berufe, die in diesem Kapitel nicht erwähnt wurden, die für einen Betroffenen besonders geeignet erscheinen. Dazu gehört etwa der Beruf des Bibliothekars, dem in einer Bibliothek eine ruhige Umgebung zur Verfügung steht. Auch eine Karriere beim Militär ist denkbar, da die Person mit Asperger-Syndrom selbst unter Beschuss relativ ruhig bleibt und wenig Emotionen zeigt, die die militärische Aufgabe gefährden könnten. Schließlich können auch Berufe wie der eines Reiseleiters oder eines Telefonverkäufers in Betracht kommen, in denen das vorgegebene Skript und die Ein-Weg-Kommunikation solchen Menschen sehr entgegenkommen.
Selbstbestätigung und Erfüllung
Arbeitslosigkeit macht sich nicht nur im Geldbeutel bemerkbar, sondern dem Betroffenen fehlen dann auch die Tagesstruktur, die Ziele und die Selbstbestätigung. Auch das Gefühl für eine eigene Identität leidet darunter. Dagegen kann eine Karriere oder ein Beruf, der genau den Fähigkeiten und dem Charakter des Menschen entspricht, diesem Mangel an Selbstwertgefühl und eigener Identität abhelfen und ihm einen Grund geben weiterzumachen. Wenn ich Erwachsene mit Asperger-Syndrom bitte, sich selbst zu beschreiben, dann beschreiben sie in der Regel, was sie beruflich tun oder welches Spezialinteresse sie haben und weniger ihre Familie oder sozialen Bekanntschaften. Temple Grandin drückte das mir gegenüber so aus: »Ich bin, was ich tue.«
ZUSAMMENFASSUNG
Studium
Wenn der Student sich für einen bestimmten Studiengang eingeschrieben hat, sollte sich ein Lehrer der früheren Schule mit der Universität in Verbindung setzen, um mitzuteilen, welche Art Unterstützung nötig ist.
Es bringt einige Vorteile, wenn man, zumindest im ersten Jahr, zu Hause wohnen bleibt, damit die Eltern einen in den Bereichen Finanzen, Haushaltsführung und in organisatorischen Fragen beistehen können. Sie können so auch den Grad der Belastung beobachten, dem ihr Kind ausgesetzt ist.
Es ist vernünftig, zu Beginn des Studiums nicht die maximal mögliche Zahl an Kursen zu belegen, sondern auch genügend Regenerationszeit einzuplanen.
Der Student benötigt oft Hilfe in Bezug auf neue soziale Regeln und Rituale bei Vorlesungen, Seminaren und in Gruppenarbeiten. Ein Kommilitone kann als Mentor zur Verfügung stehen und mit freundlichen Tipps aushelfen.
Es wäre hilfreich, wenn Studenten mit Asperger-Syndrom einen Tutor hätten, damit sie »auf dem richtigen Weg« bleiben und sich richtig auf ihren Kurs einstellen können.
Die Lehrkräfte sollten mach Möglichkeit das kognitive, soziale, motorische und sensorische Fähigkeitsprofil des Studenten mit Asperger-Syndrom bei der Vergabe von Hausarbeiten und bei Prüfungen berücksichtigen.
Der Student sollte versuchen, für ihn praktikablere Lösungen zu erwirken, etwa das Abtippen, statt das mündliche Vortragen von Texten, die Verwendung eines Computers bei der Prüfung, um Probleme mit der Handschrift zu vermeiden, sowie Einzel-, statt Gruppenseminararbeiten.
Wenn der Student sein Studium abbricht oder eine Prüfung nicht besteht, liegt das meist nicht an fehlenden intellektuellen Fähigkeiten oder daran, dass es ihm an Durchhaltewillen fehlt, sondern an zu hoher Stressbelastung.
Beruf
Menschen mit Asperger-Syndrom fällt es schwerer, einen passenden Beruf zu finden und zu behalten als »normalen« Menschen mit gleicher Qualifikation.
In einigen Berufen wird es ihnen leichter fallen, wenn sie berufliche Fähigkeiten in einer praktischen Ausbildung lernen, als wenn sie einen theoretischen Studiengang
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