Ein ganzes Leben mit dem Asperger-Syndrom
bewundert hatte, nach der Heirat dramatisch verändert hat. Eine Frau sagte dazu: »Er hatte, was er wollte, und musste sich nun nicht mehr verstellen.«
Die sozialen Kontakte werden vernachlässigt
In der Beziehung gibt es viele potenzielle Probleme. Was am Anfang liebenswert erscheint, wird später zu einem Problem. Die anfängliche Hoffnung, der Partner mit Asperger-Syndrom werde sich nach und nach verändern, emotional reifer werden und soziale Fähigkeiten erwerben, kann enttäuscht werden, wenn bei diesem nur eine begrenzte Bereitschaft besteht, sozial aktiv zu werden. Das kann daran liegen, dass ihm die nötige Anstrengung zu viel wird und er Angst hat, soziale Fehler zu begehen. Gemeinsame soziale Kontakte zu Freunden werden dann vernachlässigt. Der Partner ohne Asperger-Syndrom nimmt dann der Beziehung zuliebe in Kauf, dass die sozialen Kontakte zur Familie, zu Freunden und Kollegen zurückgefahren werden. Die Merkmale des Asperger-Syndroms werden dadurch indirekt auch von diesem Partner übernommen.
Wenn Gesten der Zuneigung fehlen
Das häufigste Problem für den Partner ohne Asperger-Syndrom ist das Gefühl der Einsamkeit. Der Partner mit Asperger-Syndrom ist gerne längere Zeit allein. Das Paar lebt dann zwar zusammen, doch kommt es selten zu Gesprächen, die sich dann auch meist nur um den Austausch von Informationen drehen und weniger um die Freude am Zusammensein, um gemeinsame Erlebnisse und Absichten. Ein Mann mit Asperger-Syndrom sagte einmal: »Meine Zufriedenheit erwächst nicht aus einem emotionalen oder zwischenmenschlichen Austausch.«
In normalen Beziehungen erwarten die Partner regelmäßige Gesten der Liebe und Zuneigung.
AUS DEM LEBEN
»Ich muss mich anstrengen, um zu sagen, was ich fühle«
Chris, der verheiratet ist und das Asperger-Syndrom hat, erklärte:
»Ich habe enorme Schwierigkeiten damit, Gefühle mit Worten auszudrücken. Dabei geht es nicht darum, dass ich mich dabei peinlich fühle oder mir diese Schwäche selbst bewusst ist. Ich weiß, dass das für andere schwer zu verstehen ist, aber ich muss mich wirklich sehr anstrengen, um meiner Frau zu sagen, was ich für sie fühle.« 2
Seine Frau kommentierte aus ihrer Sicht die seltenen liebevollen Gesten und Worte:
»Chris sagte mir einmal, dass er mich liebt. Inzwischen habe ich gemerkt, dass es für jemanden mit Asperger-Syndrom nicht notwendig erscheint, diese kleinen intimen Aufmerksamkeiten zu wiederholen, die sonst einen regelmäßigen Bestandteil einer Partnerschaft bilden. Die Tatsache wurde einmal ausgesprochen, das reicht.« 3
Für einen Menschen mit Asperger-Syndrom erscheint die ständige Wiederholung einer offensichtlichen Tatsache als unlogisch.
Mangel an Aufmerksamkeit
Dessen Partner leidet dagegen am Mangel an Aufmerksamkeit, was zu einem geringen Selbstwertgefühl und zu Depressionen führt. Ihm geht es gewissermaßen wie einer Rose, die zu wenig Wasser bekommt. 4 Der Partner mit Asperger-Syndrom möchte gerne ein fürsorglicher Freund und Geliebter sein, weiß aber nicht immer, wie genau er das anfangen soll. 5
Eine jüngste Umfrage unter Frauen mit einem Asperger-Partner enthielt die Frage: »Liebt Ihr Partner Sie?« Die Hälfte der Frauen antwortete: »Ich weiß es nicht.« 6
Was in der Beziehung fehlt, sind Gesten und Worte der Zuneigung und greifbare Liebesbeweise. Menschen mit Asperger-Syndrom tun sich schwer mit dem Ausdruck ihrer Gefühle (siehe Kapitel 6) und das betrifft auch die Liebe. Eine Frau warf ihrem Mann mit Asperger-Syndrom einmal vor: »Du zeigst nie, dass ich dir wichtig bin.« Er antwortete: »Na, ich habe uns doch den Zaun repariert, oder?« Liebesbeweise erfolgen also eher in Form von praktischen Taten. Auch diese Menschen empfinden also Liebe, aber anders als normale Menschen.
Die Bedürfnisse sind ganz unterschiedlich
Während normale Menschen gewissermaßen einen ganzen Eimer zur Verfügung haben, der mit Zuneigung gefüllt werden muss, haben Menschen mit Asperger-Syndrom hierfür lediglich eine kleine Tasse, die schnell voll ist. Daher drücken sie Zuneigung nicht in dem Maß aus, wie es von ihren Partnern gewünscht wird. Ich kenne allerdings auch Fälle, in denen der autistische Partner seine Zuneigung zu häufig ausdrückt. Das kann aber auch ein Ausdruck großer Angst oder der Wunschnach mütterlichem Trost sein. Ein Mann sagte einmal: »Wir fühlen und zeigen Zuneigung, aber nicht genug und mit der falschen Intensität.« Diese Menschen sind also entweder zu sehr oder
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