Ein gefährlicher Gentleman
plötzlich ein leises Flüstern aus.
Steh auf und geh.
Nein, bleib. Wo ist dein Mut geblieben?
Er nickte ganz leicht und nahm mit diesem Nicken die Wette an.
Sobald diese Geschichte sich in der Londoner Gesellschaft verbreitet, dachte er erbost, während er mit einer bewusst nachlässigen Geste die Hand hob und seine nächste Karte forderte, würde er von der Liste all jener Mamas gestrichen werden, die in der höheren Gesellschaft nach einem geeigneten Ehemann für ihre jungen Töchter Ausschau hielten.
Gut. Ihm war das nur recht. Er legte es ohnehin nicht darauf an, sich auf dem Heiratsmarkt eine Frau zu suchen. Er war skandalumwittert, hatte einen Titel und ein großes Vermögen – eine gute Kombination. Wenn man das große Vermögen von dieser Gleichung abzog, war man plötzlich nichts mehr als ein Lebemann und ein Prasser obendrein. Ein Mann, der so schamlos und bereitwillig einen Großteil seiner weltlichen Güter bei einem einzigen Glücksspiel verschleuderte, eignete sich nicht im Geringsten als guter Ehemann. Er konnte es sich leisten zu verlieren. Aber insgeheim musste er sich eingestehen, dass diese immense Verschwendung ihn kurz hatte zögern lassen. Aber er hatte diesen Umstand ebenso rasch beiseitegeschoben wie seine wahren Beweggründe.
Der Gedanke, dass in Zukunft weniger albern kichernde Misses mit ihrem flatternden Fächer auf ihn zeigen würden, war ihm nur kurz in den Sinn gekommen. Er sorgte sich eher … Nun, wenn er ganz ehrlich war, bereitete ihm Sorgen, wie seine Mutter und seine Schwestern darauf reagieren würden. Und das konnte er nun wirklich nicht zugeben, während er in einer der verrufensten Spielhöllen ganz Englands saß, entschied er. Ein ironisches Lächeln umspielte seinen Mund. Er nahm die Karte auf, schaute sie an und legte sie wieder hin.
Cayne nahm ebenfalls eine Karte. Ein kollektives Zischen ging durch den Raum, als alle Anwesenden tief einatmeten, während er träge die Karte zwischen die anderen auf seiner Hand steckte. Es klang, als ob jemand einen Eimer Wasser ins Feuer kippte. Das Lächeln des Mannes war rätselhaft. Sein Blick hielt Lukes stand.
Blieb nur noch eine Karte. Nach außen hin ruhig nahm Luke die letzte Karte vom Croupier entgegen. Er konzentrierte sich darauf, seine Gefühle nicht offen zu zeigen. Die andere Karte hatte ihm so wenig geholfen, dass ihm nichts anderes übrig blieb, als diese zu nehmen. Er warf kaum einen Blick darauf, ehe er sie auf seine Hand nahm.
Cayne schüttelte den Kopf und nahm keine letzte Karte.
Es bestand kein Zweifel, dass dieser Mann recht zuversichtlich wirkte.
Inzwischen war Lukes Brandy warm geworden und verströmte seinen Duft. Er ließ die Flüssigkeit im Glas kreisen, ehe er es an den Mund hob und den Rest mit einem Schluck herunterkippte. Er war ziemlich beeindruckt von sich, denn seine Hand zitterte überhaupt nicht. Der Croupier verkündete nun: »Gentlemen, bitte legen Sie die Karten auf den Tisch.« Eine gewichtige Pause folgte. »Die Einsätze stehen bei zwanzigtausend Pfund.«
Mit einer raschen Bewegung des Handgelenks warf Luke seine Karten auf den Tisch. Cayne folgte weit langsamer. Er legte behutsam jede der Karten einzeln ab, sodass die Menge, die sich um sie drängte, alles sehen konnte.
Für einen Moment bewegte sich keiner.
»So ein unverschämtes Glück!« Der Ausruf kam von einem Mann, der direkt hinter Luke stand, und durchbrach die undurchdringliche Stille. Der Croupier verzog das Gesicht zu einem grotesken Grinsen. Dann verkündete er ernst: »Das Spiel geht an den Viscount.«
Luke ignorierte die Glückwünsche, die nun einsetzten. Er stand auf und verneigte sich knapp vor Cayne, dessen Miene wie versteinert war. Der ältere Mann lehnte sich in seinem Stuhl zurück und neigte den Kopf. »Das Geld wird Euch morgen zugestellt, wenn Ihr damit einverstanden seid.«
»Natürlich.«
Luke schob sich mit der gewohnten Lässigkeit zwischen den Männern hindurch zu einem Tisch. Auf dem roten Samt stand eine Reihe von Flaschen, einige ruhten in Kühlern.
Er war nach dem Spiel noch immer völlig angespannt. Ihn verstörten sowohl dieses Gefühl wie auch das Ergebnis.
Wenn er nach und nach einen Ruf als einer der verkommensten Gentlemen Londons etablieren wollte, bedeutete dies wohl, dass er mehr Herausforderungen wie diese annehmen musste. Deshalb sollte er schleunigst Mittel flüssigmachen, falls sein Händchen beim nächsten Mal nicht so glücklich war. Luke wählte eine Karaffe und schenkte
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