Ein gefährlicher Gentleman
Preis? Seine Kiefermuskeln spannten sich an. Dieser Mistkerl wollte ihren herrlichen Körper benutzen. Sie musste es nicht laut aussprechen. Sein Puls wütete in seiner Schläfe, und er musste krampfhaft die Hände zu Fäusten ballen, damit er nicht die Hand nach ihr ausstreckte und die kristallklare Linie einer Träne mit den Fingern verfolgte, die über ihre weiche Wange glitt. Er wusste ihrer aufrichtigen Not nichts entgegenzusetzen. »Er hat Euch erpresst?«
»Nein.« Sie starrte auf das Muster des Teppichs. »Nicht so richtig.«
Nicht so richtig. Was zum Teufel sollte das nun wieder heißen? Der Ernst der Lage allein hinderte ihn daran, leise Frauen zu murmeln. Aber er spürte, wie in ihm langsam der Missmut wuchs, weil ihm keine eindeutige Erklärung geliefert wurde. »Ich verstehe nicht. Bisher kam es mir immer so vor, als werde eine Person erpresst, stimmt das nicht?«
Sie machte eine hilflose, kleine Geste mit der Hand. »Er … er wusste einige Dinge. Und er gewöhnte sich an, sie in den unangemessensten Augenblicken anzudeuten. Erst da habe ich begonnen, Verdacht zu schöpfen …«
Er war von Natur aus kein geduldiger Mensch, und als sie schon wieder verstummte, verlangte Luke zu wissen: »Was habt Ihr Euch gedacht? Hol’s der Teufel, meine Liebe. Vielleicht bin ich begriffsstutzig, aber ich weiß im Moment kaum mehr darüber, was sich zugetragen hat, als in dem Augenblick, als ich das Zimmer betreten habe. Erzählt mir einfach, was passiert ist, damit wir die Sache regeln können.«
»Aber es ist so peinlich.«
»Du lieber Himmel, Frau! Gerade erst habt Ihr mir gesagt, Ihr hättet einen Mann getötet. Wenn Euch das peinlich ist, meinetwegen, aber kommt endlich zur Sache. Ich genieße einen gewissen Ruf, deshalb ist es recht unwahrscheinlich, dass ich Euch moralisch verurteile.«
Für einen Augenblick starrte sie ihn bloß an. Es war, als sehe sie ihn zum ersten Mal. Ihre schönen Augen weiteten sich. Dann stimmte sie zu, indem sie leise ihren Kopf neigte.
»Colin hat ein Tagebuch geführt.« Sie atmete tief und zittrig ein, doch dann fuhr sie fort. »Er hat ständig irgendetwas hineingekritzelt. Offensichtlich hat er alles hineingeschrieben, auch jedes Detail unseres … unseres Ehelebens. Irgendwie ist Lord Fitch in den Besitz dieses Tagebuchs gelangt, wobei ich mir einfach nicht vorstellen kann, wie. Erst nachdem er einige anzügliche Bemerkungen fallen ließ, die allesamt ins Schwarze trafen, habe ich gemerkt, dass dieser abscheuliche Mann im Besitz des Tagebuchs sein muss . Die beiden waren nie befreundet, und Colin hätte ihm so private Dinge niemals enthüllt. Ich kann mir nicht vorstellen, dass er irgendjemandem davon erzählt hat. Daher gab es nur diese eine Erklärung. Ich habe das Tagebuch nie gelesen, weil ich nicht in Colins private Gedanken eindringen wollte. Darum habe ich es nach seinem Tod weggeschlossen. Auf jeden Fall ist es jetzt verschwunden.«
Ohne dass sie es explizit erwähnen musste, verstand Luke, dass es auch um Madelines Privatsphäre ging, in die Fitch eingedrungen war. Er wusste, sie hatte ihren Ehemann mit der tief empfundenen Leidenschaft geliebt, die eine Frau in der ersten Blüte ihres Lebens aufzubringen vermag. Sein Tod war ein herber Verlust für sie gewesen. Er konnte sich nur annähernd vorstellen, wie verletzt sie sich fühlte, weil die persönlichen Notizen und Gedanken ihres Mannes von einem Fremden gelesen wurden.
»Beinahe hätte ich sein Tagebuch mit ihm beerdigt.« Ihre Stimme klang erstickt. »Aber ich vermute, damals habe ich geglaubt, ich könnte es eines Tages lesen und in seinen Worten Trost finden.«
Stattdessen zog dieses herzlose Ekel Fitch die intimen Aufzeichnungen des Mannes, den sie geliebt hatte, ins Lächerliche. Wenn der Earl nicht bereits vor seiner Zeit verschieden wäre, hätte Luke diesen wertlosen Schuft mit Freuden seinem Schöpfer entgegengeschickt. Er musste sich zwingen, gleichgültig zu klingen, als er sagte: »Was auch mit Seiner Lordschaft passiert ist, klingt ganz so, als habe er es verdient. Wo ist er jetzt?«
»In Colins Studierzimmer.«
Sie antwortete so leise, dass er die Worte kaum verstand. Madeline blickte auf die Wand, ohne irgendetwas zu sehen. Ihre Miene war so abwesend, dass er sich ernstlich um sie sorgte. Eine schlanke Hand zupfte ständig an ihrem Rock. »Es ist hier passiert?«, fragte Luke.
Sie nickte. Das Nicken war abgehackt. »Ich habe ihn um ein Treffen gebeten, um über das Tagebuch zu reden. Es
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