Ein gefährliches Werkzeug
unbeweglich knieen, dann stand sie auf, trat ihm entgegen und umklammerte ihn mit leidenschaftlichem Flehen.
»Du schickst sie zurück, nicht wahr – und auch den Check! Du wirst ehrlich – du wirst ehrenhaft handeln. O, mein Liebling, mein Liebling! Ich habe dich so heiß geliebt – mein Leben hatte ich für dich gelassen! Niemand weiß es – niemand soll es erfahren, aber du mußt sie zurückschicken! Du wirst ehrlich sein! Du hast es ja nie gewollt, Geliebter: ich weiß es, du bist schwer versucht worden – der Böse hat dich versucht!«
Sie hielt ihn umfaßt und schmiegte sich an ihn an und lächelte zu ihm auf mit mitleidigem Flehen. In Stimme und Antlitz und Bewegung legte sie herzbrechende, kleine, weibliche Schmeicheleien, während er von Scham überwältigt wortlos vor ihr stand.
»Ich kann nicht,« stöhnte er endlich, »ich kann nicht.«
»Du kannst nicht, mein Liebling! Du kannst nicht ehrlich sein!« Und wieder versuchte sie ihm mit ihrem herzbrechenden Lächeln das Heil seiner Seele abzuschmeicheln.
»Ich kann nicht,« wiederholte er; »ich bin gebunden an Händen und Füßen. Ich bin ganz in der Gewalt des niederträchtigsten Schurken der Welt!«
Und nun brach eine solche Flut von Verwünschungen und Flüchen gegen Gale von seinen Lippen, daß sie anfing, sich zu fürchten. Dieser wahnsinnige Ausbruch verschaffte ihm indes Erleichterung, und nachdem derselbe in zornigem Schweigen geendet hatte, ließ er sich in seinen Armstuhl sinken. Mit neu auflebendem Mut wollte sie sich eben wieder an seine Seite stehlen, als er sich mit erzwungener Ruhe zu ihr wandte und sprach: »Setze dich. Du weißt einen Teil der Sache, du sollst alles erfahren.«
Und nun erzählte er ihr, ohne sein Thun im mindesten zu beschönigen, alles von Anfang bis zu Ende, bis zu dem zweiten Raub der Juwelen.
Als er an diesem Punkt anlangte, sprang das Mädchen, das ihm bis dahin mit weit aufgerissenen Augen regungslos gelauscht hatte, von seinem Sitz auf, kniete neben ihm nieder, legte ihr Haupt auf seine Kniee und tastete nach seiner Hand. Er überließ sie ihr und fuhr anscheinend teilnahmlos in seiner Erzählung fort.
»Gale kam vergangene Nacht in dies Zimmer,« sagte er, »und teilte mir mit, daß er die Juwelen sowohl als auch die Belohnung wolle und wir beides miteinander teilen müßten.«
»Nein,« sagte sie und schob seine Hand zwischen ihr Gesicht und sein Knie. Ihre Stimme klang müde und liebevoll und ganz überzeugt, daß sie ihn gerettet und das geplante Verbrechen verhindert habe.
»Ich soll morgen nacht in einem baufälligen, alten Hause, zu dem er den Schlüssel hat – einem verrufenen, verödeten Platz – mit ihm zusammentreffen unter dem Vorwand, dem Dieb seinen Preis zu bezahlen und die Juwelen zurückzuerhalten. Ich soll dem Detectiv die Adresse in einem geschlossenen Briefumschlag übergeben und ihm sagen, wenn ich in einer Stunde nicht zurück sei, möchte er nach mir sehen. Er wird mich gebunden und geknebelt und das Geld verschwunden finden. Ich werde zerrissene Kleider und dergleichen haben und sagen, ich sei im Dunkeln von drei oder vier Schurken überfallen und so zugerichtet worden. Und dann,« schloß er mit unverändertem Ton, »dann werde ich wohl Reuben Gale ermorden.«
»Das alles wirst du nicht thun, Wyncott,« sagte sie in ihrem alten, müden, zärtlichen Ton.
»Doch,« antwortete er, »ich werde es thun, aber der Schurke wird es mir mit seinem Leben bezahlen.«
»Du kannst das nicht thun, Wyncott, wenn ich bei dir bin,« entgegnete das Mädchen, »und ich werde dich nicht verlassen, es sei denn, daß du mich auch umbringst. Ich bin gekommen, um dich zu retten, und ich werde es auch thun. Gott hat mir nur zu diesem Zweck die Sprache zurückgegeben. Ich habe das Recht, dich auf meine Weise zu lieben, aber wie könnte ich dies, wenn du eine solche That begingest? Ueberlege es dir, Geliebter. Machst du dich von ihm frei und sagst die Wahrheit, so kannst du bald wieder glücklich sein. Jeder kann einmal einer Versuchung unterliegen, mein Liebling. Erobere dir deine Selbstachtung zurück. Ein bißchen Scham, um eine so große Schande gut zu machen – eine Stunde Scham um ein Leben, Wyncott.«
In der Leidenschaftlichkeit ihrer Bitten hatte sie sich erhoben, und beugte sich nun, die Arme um seinen Nacken geschlungen, über ihn herab und versuchte vergeblich, ihm ins Gesicht zu blicken.
»Ueberlege dir's, Wyncott, mein Geliebter. Selbst wenn ich es nicht wüßte – wenn es niemand
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