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Die Rose von Windsor: Historischer Roman (German Edition)

Die Rose von Windsor: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Rose von Windsor: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Chadwick
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    Framlingham Castle, Suffolk,
Oktober 1173

    Roger erwachte und setzte sich nach Atem ringend mit einem Ruck auf. Sein Herz hämmerte gegen seinen Brustkorb, und obwohl ein Strahl hellen Morgenlichts durch den Spalt zwischen den Bettvorhängen fiel, zogen vor seinem geistigen Auge wirre Bilder von Männern vorbei, die in erbitterte Kämpfe verstrickt waren. Er hörte das metallische Klirren, mit dem Klingen aufeinandertrafen, und das dumpfe Krachen eines gegen einen Schild geschmetterten Streitkolbens. Er spürte, wie sich sein Schwert in menschliches Fleisch fraß, und sah scharlachrote Blutströme, die sich über verstümmelte Leiber ergossen.
    »Ah, Gott.« Erschauernd senkte er den Kopf, sodass ihm seine schweißfeuchten sandfarbenen Haarsträhnen in die Stirn fielen. Nach einem Moment gewann er die Fassung zurück, schlug die Bettdecke mit der rechten Hand zur Seite und trat an das Fenster. Er umklammerte fest seine verbundene linke Hand und hieß den stechenden Schmerz willkommen wie ein Büßer die Geißel. Die Wunde war nicht tief genug, um ernsthaften Schaden anzurichten, würde aber quer über drei Finger eine bleibende Narbe hinterlassen. Der Soldat, der sie ihm zugefügt hatte, war tot, was Roger jedoch keinerlei Genugtuung bereitete. Im Kampf ging es um töten oder getötet werden. Zu viele seiner Männer waren gestern gefallen. Sein Vater hatte
gesagt, er sei zu nichts zu gebrauchen, aber das war ohnehin seine feste Überzeugung, die Roger nicht mehr sonderlich traf. Was ihm zu schaffen machte, war der unnötige Verlust guter Soldaten. Die Gegenseite war ihnen zahlenmäßig überlegen und seine Truppe ihrer Aufgabe nicht gewachsen gewesen. Er betrachtete seine geballte Faust. Es würde noch ein Meer von Blut vergossen werden, bis der Ehrgeiz seines Vaters befriedigt war.
    Dem strahlenden Tageslicht nach zu urteilen hatte er die Messe verpasst. Seine Stiefmutter würde ihn voller Genugtuung wegen seiner Unpünktlichkeit tadeln und seinem Vater gegenüber bemerken, sein Sohn sei es nicht wert, einen Misthaufen zu erben, geschweige denn die Grafschaft Norfolk, wenn die Zeit einmal kam. Und dann würde sie ihrem eigenen ältesten Sohn, dem widerwärtigen Huon, einen vielsagenden Blick zuwerfen, als sei er die Antwort auf jedermanns Gebete und nicht der mürrische heranwachsende, verzogene Knabe, der er war.
    Der Burghof von Framlingham wimmelte von den Zelten der Söldner von Robert Beaumont, dem Earl of Leicester – eine wüst zusammengewürfelte Horde, die er auf seinem Weg von Flandern nach England auf den Feldern, in den Städten, in Straßengräben und Gossen, Webschuppen und Häfen rekrutiert hatte. Dass sie sich um diese Zeit im Hof herumtrieben, ließ darauf schließen, dass die meisten von ihnen die Messe ebenfalls nicht besuchten. Heuschrecken, dachte Roger angewidert. Indem sein Vater sich gegen König Henry aufgelehnt und dem Earl of Leicester seine Unterstützung gewährt hatte, hatte er in mehr als einer Hinsicht dafür gesorgt, dass sie von einer Plage heimgesucht wurden. Die Intrige lief darauf hinaus, den König zu stürzen und durch seinen achtzehnjährigen Sohn Henry zu ersetzen – einen eingebildeten, eitlen Burschen, der von
Männern mit Macht und Einfluss mühelos manipuliert werden konnte. Rogers Vater hegte keine Liebe für den König, der gezielt gegen seinen ehrgeizigen Plan vorging, einst über ganz East Anglia zu herrschen. Henry hatte ihre Burg bei Walton beschlagnahmt und bei Orford eine mächtige königliche Festung erbaut, um ihrem Zugriff auf diesen Teil der Küste einen Dämpfer aufzusetzen. Was das Ganze noch schlimmer machte, waren die Strafabgaben für frühere Aufstände, die man gleichfalls für den Bau dieser Festung verwendet hatte.
    Roger wandte sich vom Fenster ab und wusch sich an der Waschschüssel neben seinem Bett mit einer Hand das Gesicht. Da die Fingerspitzen und der Daumen der anderen Hand aus dem Verband herausragten, gelang es ihm, sich anzukleiden, ohne einen Diener herbeirufen zu müssen. Von dem Moment an, wo er als kleiner Junge erstmals imstande gewesen war, sich alleine die Hosen zuzuschnüren, verspürte er einen starken Drang zur Selbständigkeit.
    Als er die Truhe mit seinen Umhängen öffnete, wurden seine Augen schmal, denn er bemerkte sofort, dass sein bester, der mit dem Silbersaum, fehlte, und er konnte sich nur zu gut vorstellen, wo er geblieben war. Während er seinen Alltagsmantel aus schlichtem grünem Köper anlegte, fiel sein

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