Ein Gesicht so schön und kalt
hinuntergingen, sagte Jonathan sachlich:
»Gib mir deine Autoschlüssel, Kerry. Ich folge dir nach
draußen, und dann gehst du mit Robin in den Kofferraum.«
O Gott, dachte Kerry. Er bringt uns um und fährt uns dann
irgendwohin und läßt das Auto stehen, und dann sieht es nach
der Tat eines Profigangsters aus. Das wird man dann Weeks
anhängen.
Jonathan sprach erneut, als sie die Eingangshalle
durchquerten. »Es tut mir ehrlich leid, Robin. So, jetzt mach
langsam die Tür auf, Kerry.«
Kerry beugte sich runter, um Robin zu küssen. »Rob, wenn
ich mich rumdreh, läufst du davon«, flüsterte sie. »Lauf zum
Nachbarn, und schrei, ohne aufzuhören.«
»Die Tür, Kerry«, drängte er.
Langsam machte sie die Tür auf. Er hatte das Außenlicht am
Eingang ausgeschaltet, so daß die einzige Beleuchtung von dem
schwachen Schein der Laterne herrührte, die ganz am Ende der
Auffahrt stand. »Mein Schlüssel ist in meiner Manteltasche«,
sagte sie. Dann drehte sie sich langsam um und schrie: »Lauf,
Robin!«
Zur gleichen Zeit warf sie sich auf Jonathan. Sie hörte, wie
sich ein Schuß löste, während sie auf ihn zustürzte, und spürte
einen brennenden Schmerz seitlich am Kopf, unmittelbar gefolgt
von Wellen aufsteigenden Schwindelgefühls. Der Marmorboden
des Foyers raste auf sie zu. Rings um sich herum vernahm sie
einen Wirrwarr von Geräuschen: noch einen Schuß, Robin, die
um Hilfe schrie, ihre Stimme, die sich immer mehr in der Ferne
verlor. Polizeisirenen, die näher kamen.
Dann plötzlich nur noch die Sirenen, und Grace’ gebrochener
Aufschrei: »Es tut mir leid, Jonathan. Es tut mir leid. Ich konnte
nicht zulassen, daß du das tust«, sagte sie. »Das nicht. Nicht mit
Kerry und Robin.«
Kerry schaffte es, sich hochzuziehen und die Hand an die
Seite ihres Kopfes zu drücken. Blut sickerte ihr übers Gesicht
hinunter, aber das Schwindelgefühl ließ allmählich nach. Als sie
aufblickte, sah sie Grace von ihrem Rollstuhl hinab auf den
Boden gleiten, sah, wie sie die Pistole aus ihren geschwollenen
Fingern fallen ließ und die Leiche ihres Mannes in die Arme
nahm.
Dienstag, 6. Februar
99
Der Gerichtssaal war bis auf den letzten Platz besetzt, als die
zeremonielle Vereidigung der Staatsanwältin Kerry McGrath
zur Richterin vorgenommen werden sollte. Das festliche
Stimmengesumme legte sich völlig, als die Tür des
Richterzimmers aufging und eine würdevolle Prozession von
Richtern in schwarzer Robe hereingeschritten kam, um eine
neue Kollegin in ihrer Mitte zu begrüßen.
Kerry ging ruhig von der Seite des Richterzimmers zur
Rechten der Richterbank und nahm ihren Platz ein, während die
Richter zu den Sitzen gingen, die für sie vorne vor den Gästen
reserviert waren.
Sie blickte auf die versammelten Menschen vor ihr. Ihre
Mutter und Sam waren für die Feier mit dem Flugzeug
hergekommen. Sie saßen neben Robin, die kerzengerade auf der
Kante ihres Sitzes mit großen, aufgeregten Augen dasaß. Von
den Schnittwunden, die sie beide zu jenem folgenschweren
Treffen mit Dr. Smith geführt hatten, war kaum noch eine Spur
zu sehen.
Geoff saß mit seinen Eltern in der nächsten Reihe. Kerry
mußte daran denken, wie er in dem FBI-Hubschrauber zu ihr
geeilt kam, als sie im Krankenhaus lag, wie er eine hysterische
Robin getröstet und dann zu seiner Familie mitgenommen hatte,
als der Arzt darauf bestand, Kerry über Nacht dazubehalten.
Jetzt blinzelte sie, um die Tränen zu unterdrücken, die
angesichts dessen in ihr aufstiegen, was sie in seiner Miene sah,
während er ihr zulächelte.
Margaret, ihre alte und beste Freundin, saß ebenfalls da und
erfüllte damit ihren Schwur, daß sie an dieser Zeremonie
teilnehmen werde. Kerry dachte an Jonathan und Grace. Sie
wollten ursprünglich auch dabeisein.
Grace hatte geschrieben.
Ich gehe heim nach South Carolina und werde bei meiner
Schwester wohnen. Ich gebe mir die Schuld an allem, was
geschehen ist. Ich wußte, daß Jonathan etwas mit dieser Frau
hatte. Ich wußte auch, daß es nicht andauern würde. Hätte ich
doch bloß dieses Foto ignoriert, auf dem sie meine Brosche trug,
dann wäre nichts von alldem passiert. Ich machte mir nichts aus
dem Schmuck. Es war einfach meine Methode, Jonathan zu
warnen, daß er sie aufgeben muß. Ich wollte nicht, daß seine
Karriere durch einen Skandal ruiniert wird. Bitte vergib mir, und
vergib Jonathan, wenn du kannst.
Kann ich das? fragte sich Kerry. Grace hat mir das Leben
gerettet, aber Jonathan hätte
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