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Ein Gesicht so schön und kalt

Ein Gesicht so schön und kalt

Titel: Ein Gesicht so schön und kalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Higgins Clark
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du mich überredet hast, herzukommen. Du siehst einfach
phantastisch aus.«
    Das stimmt, dachte Kerry, während sie etwas befangen in
ihrer Tasche nach dem Makeup suchte. Sie klappte die
Puderdose auf, betrachtete sich in dem Spiegel und fand, daß
man ihr zu diesem Zeitpunkt ihre sechsunddreißig Jahre
wahrlich ansah. Obwohl sie wußte, daß viele Leute sie für
attraktiv hielten, hatte sie in dieser Hinsicht nach wie vor ihre
Zweifel.
    Sie wischte sich mit der Puderquaste über den Nasenrücken,
versuchte all die verhaßten Sommersprossen zu überdecken,
betrachtete ihre Augen und stellte fest, daß ihr Haselnußfarbton
stets von Grün zu einem trüben Braun wechselte, wenn sie so
müde war wie heute.
    Sie verstaute eine widerspenstige Haarsträhne hinter dem Ohr,
schloß dann mit einem Seufzer die Puderdose und schob sich die
Ponyfransen, die unbedingt geschnitten werden mußten, aus der
Stirn.
    Ungeduldig starrte sie auf die Tür, die zu den
Behandlungsräumen führte. Weshalb dauerte es nur so lange,
Robins Fäden zu ziehen? fragte sie sich. Gab es womöglich
Komplikationen?
    Kurz darauf ging die Tür auf. Kerry blickte erwartungsvoll
hoch. Statt Robin kam jedoch eine junge Frau von vermutlich
Mitte Zwanzig zum Vorschein, die ein wunderschönes,
mutwilliges und von vollem dunklem Haar eingerahmtes
Gesicht hatte.
    Ob sie wohl schon immer so aussieht? fragte sich Kerry,
während sie die hohen Wangenknochen, die gerade Nase, die
ausnehmend wohlgeformten vollen Lippen, die strahlenden
Augen und gewölbten Brauen musterte.
    Vielleicht spürte sie Kerrys Interesse, denn im Vorbeigehen
warf sie ihr jetzt einen herausfordernden Blick zu.
Kerrys Kehle zog sich zusammen. Ich kenne dich, dachte sie.
Doch woher? Sie schluckte, und ihr Mund fühlte sich plötzlich
trocken an. Dieses Gesicht - ich hab’ sie schon mal gesehen.
Nachdem die Frau weg war, ging Kerry zum Empfang und
erklärte der Sprechstundenhilfe, sie habe das Gefühl, die junge
Dame zu kennen, die soeben aus dem Behandlungszimmer
gekommen sei. Wer sie denn sei?
Der Name Barbara Tompkins sagte ihr jedoch nichts. Sie
mußte sich getäuscht haben. Und doch überkam sie nun, da sie
sich wieder hinsetzte, ein überwältigendes Gefühl von déjà vu. Die Wirkung war so beklemmend, daß ihr tatsächlich ein kalter
Schauer den Rücken hinunterlief.
Kate Carpenter betrachtete die Patienten im Wartezimmer des
Arztes mit einer gewissen Voreingenommenheit. Sie arbeitete
jetzt seit vier Jahren mit Dr. Smith als Operationsschwester
zusammen und ging ihm bei seinen chirurgischen Eingriffen in
der Praxis zur Hand. Sie hielt ihn schlicht und einfach für ein
Genie.
Sie selbst war nie in Versuchung geraten, sich von ihm
operieren zu lassen. So um die Fünfzig, kräftig gebaut und mit
einem freundlichen Gesicht und graumelierten Haaren, stellte
sie sich ihren Freunden gegenüber als Konterrevolutionärin
gegen die Schönheitschirurgie dar. »Was man sieht, das kriegt
man auch.«
Obwohl sie volles Verständnis für Patienten mit ernsthaften
Problemen hatte, empfand sie doch den Männern und Frauen
gegenüber, die auf ihrer hartnäckigen Jagd nach einem perfekten
Aussehen wieder und wieder zur Behandlung kamen, eine
gewisse Verachtung. »Andererseits«, wie sie zu ihrem Mann
sagte, »bezahlen sie schließlich mein Gehalt.«
Gelegentlich fragte sich Kate Carpenter, warum sie eigentlich
bei Dr. Smith blieb. Er war allen gegenüber, Patienten wie
Angestellten, so kurz angebunden, daß es häufig schon an
Grobheit grenzte. Er lobte einen fast nie, versäumte jedoch keine
Gelegenheit, einem auch nur den geringsten Fehler sarkastisch
anzukreiden. Andererseits wiederum, überlegte sie, waren
Gehalt und Zusatzleistungen ganz ausgezeichnet, und es war ein
wahrhaft aufregendes Erlebnis, Dr. Smith bei der Arbeit zu
beobachten.
Nur war ihr in letzter Zeit aufgefallen, daß seine schlechte
Laune immer schlimmer wurde. Potentielle neue Klienten, die
man seines herausragenden Rufes wegen an ihn verwiesen hatte,
fühlten sich von seinem Auftreten vor den Kopf gestoßen und
sagten immer häufiger bereits angesetzte Behandlungstermine
ab. Die einzigen, die er mit seiner Fürsorge geradezu
überschüttete, waren die Empfängerinnen des »besonderen
Aussehens«, des Looks, und das war ein weiterer Umstand, der
Mrs. Carpenter mit Besorgnis erfüllte.
Außer seiner erhöhten Reizbarkeit war ihr seit einigen
Monaten auch noch aufgefallen,

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