Ein gutes Omen
die
Menschen …«
»Was genau hast
du getan, um unserem Gebieter Seelen zu bringen?« knurrte Hastur.
Crowley seufzte
innerlich.
Was sollte er
den beiden Gesandten der Finsternis erzählen? Daß zwanzigtausend Personen
völlig aus dem Häuschen geraten waren? Daß man in der ganzen Stadt hören konnte, wie Zornesadern anschwollen? Daß
Manager, Geschäftsführer und Abteilungsleiter ihren Ärger an Sekretärinnen,
Politessen und so weiter ausließen – und daß deren schlechte Laune daraufhin
nach anderen menschlichen Zielscheiben suchte? Dadurch kam eine regelrechte
emotionale Lawine ins Rollen. Tausende von Gehirnen, die nur an Rache dachten –
für den Rest des Tages. Und das Schönste war: Sie ließen sich die Methoden der
Vergeltung von ganz allein einfallen. Zahllose Seelen, deren heller reiner Glanz sich langsam
trübte – und man brauchte kaum einen Finger zu rühren.
Aber so etwas
konnten Hastur und Ligur nicht verstehen. Dämonen wie sie dachten noch immer in
Begriffen des vierzehnten Jahrhunderts – manchmal investierten sie Jahre, um
Gott eine einzelne Seele zu stehlen. Nun, sie waren echte Künstler, aber die moderne Zeit erforderte eine moderne
Strategie. Man mußte sich der veränderten demographischen Situation anpassen.
Inzwischen gab es mehr als fünf Milliarden Menschen auf der Erde, und demnach
hatte es keinen Sin, sich auf einzelne Individuen zu beschränken. Man erzielte
weitaus größere Erfolge, wenn man sich bei den seelenfängerischen Bemühungen
auf die breite Masse konzentrierte. Diese Erkenntnis blieb Hastur und Ligur
nach wie vor fremd. Zum Beispiel wäre es ihnen nie in den Sinn gekommen,
Fernsehprogramme in Walisisch zu senden. Vermutlich hätten sie nicht einmal
genügend teuflische Phantasie aufgebracht, um die Mehrwertsteuer zu erfinden.
Oder eine Stadt wie Manchester.
Auf Manchester
war Crowley besonders stolz.
»Bisher
scheinen die Verantwortlichen in der Hölle zufrieden zu sein«, sagte er. »Die
Zeiten ändern sich eben. Nun, was liegt an?«
Hastur griff
hinter einen Grabstein.
»Das hier«,
antwortete er.
Crowley starrte
auf den Korb hinab.
»Oh«, machte
er. »Nein.«
»Doch«,
erwiderte Hastur und lächelte.
»Schon?«
»Ja.«
»Und, äh, ich
bin damit beauftragt …?«
»Ja.« Hasturs Lächeln wuchs in die Breite.
»Warum
ausgerechnet ich?« klagte Crowley. »Du kennst mich, Hastur. Ich meine, ich
spiele mich nicht gern in den Vordergrund. Um ganz ehrlich zu sein: Ich begnüge
mich mit
einer Statistenrolle.«
»Diesmal nicht«,
widersprach Hastur. »Diesmal bekommst du die Hauptrolle. Die Zeiten ändern sich eben.«
»Ja«,
bestätigte Ligur und grinste. »Bald hören sie auf. Eine nette Abwechslung.«
»Warum ich? «
Offenbar hast du dort unten irgendeinen Gönner«, lächelte Hastur
boshaft. »Ich bin sicher, Ligur gäbe den rechten Arm für eine solche Chance.«
»Und ob«,
pflichtete ihm Ligur bei. Zumindest war er bereit, irgendeinen rechten Arm zu geben. An rechten Armen herrschte kein Mangel – warum den eigenen verschwenden?
Hastur griff
unter seinen feuchten, schmierigen Regenmantel und holte ein Klemmbrett hervor.
»Unterschreib
mal eben. Hier«, sagte er und trennte die beiden letzten Worte mit einer unheilvollen Pause.
Crowley tastete
unsicher in die Innentasche seiner Jacke, und kurz darauf kehrte die rechte
Hand mit einem dünnen matt-schwarzen Kugelschreiber zurück. Er schien bereit zu
sein, jede Geschwindigkeitsbeschränkung zu überschreiten.
»Tolles Ding«,
brummte Ligur.
»Schreibt sogar
unter Wasser«, murmelte Crowley.
»Ach, was mag
den Menschen wohl als nächstes einfallen?« überlegte Ligur laut.
»Nun, wenn sie
noch was erfinden möchten, sollten sie sich besser beeilen«, sagte Hastur. Und: »Nein! ›A. J. Crowley‹ genügt nicht.
Unterzeichne mit deinem richtigen Namen.«
Crowley nickte
kummervoll und malte mehrere Schlangenlinien aufs Papier. Ein oder zwei
Sekunden lang glühten sie in einem düsteren Rot – und lösten sich dann auf.
»Was fange ich
damit bloß an? «fragte Crowley und deutete auf den Korb.
»Du bekommst
noch Anweisungen.« Hastur runzelte die Stirn. »Warum machst du dir Gedanken?
Jahrhundertelang haben wir auf das Ziel hingearbeitet, und jetzt ist es fast
erreicht.«
»Ja. Genau.
Stimmt.« Crowley sah nun nicht mehr aus wie der geschmeidige Mann, der vor
einigen Minuten mit geschmeidiger Geschmeidigkeit aus dem Bentley gesprungen
war. Er wirkte niedergeschlagen und
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