Ein Hauch von Seele
gerade mal hundert mal fünfzig Zentimetern Ausmaßen.“
„Hat der Bengel überlebt?“ Zedrik starrte in verdrehter Körperhaltung auf den Monitor, um selbst nachzulesen; er war deutlich interessiert.
„Yepp, hat er. Gefahr zu ertrinken bestand auch nicht wirklich, trotzdem musste er mit hässlichen Gesichtsverletzungen ins Krankenhaus. Die Wasserschildkröte fand seinen Besuch nicht angenehm, wie es scheint.“
„Ein Poltergeist oder irgendwas von ähnlichem Kaliber also.“ Zedrik seufzte leise. Poltergeister waren extrem selten. Sie entstanden, wenn eine finstere Seele nach dem Tod von den Dämonen verschmäht wurde, was ausschließlich bei solch verdorbenen Geschöpfen geschah, die selbst der Hölle zu schmutzig waren. Diese Geister waren nicht an den Ort ihres Todes gebunden und randalierten ohne Sinn und Verstand durch die Weltgeschichte.
Die nächste E-Mail war wieder bedeutungsloser Unfug. Die letzte hingegen ließ Jeremy schlucken. Verdammt, er hätte auf den Absender achten müssen!
„Was?“, fragte Zedrik sofort. Schweigend drehte Jeremy ihm den Monitor so, dass sein Partner mühelos lesen konnte. Der nahm die Sonnenbrille ab und starrte ihn alarmiert mit seinen grünen Dämonenaugen an.
Es galt Schlimmes zu befürchten, wenn eine Vampirkönigin sie zu einem sofortigen Treffen bat – bei hellem Tageslicht! – und dabei den Namen Taznak erwähnte.
„Wie es scheint, hat der Seelenfresser beschlossen, mal wieder in unserem Revier zu wildern“, murmelte Jeremy. Methodisch fuhr er den Computer herunter und suchte seine Ausrüstung zusammen. Madame Vivienne de Lorville, Königin des größten Vampirgeschlechts des Kontinents, ließ man nicht warten.
Kapitel 2
Die Porzellanschnecke lässt bitten
Auf der Fahrt zu Madame Vivienne warf Zedrik einen verstohlenen Seitenblick auf seinen Partner. Er konnte den Ärger über seine Sauferei auf Jeremys markant geformtem Gesicht und in der Anspannung seines athletisch gebauten Körpers ablesen. Zedriks übermäßiger Alkoholkonsum und die Qualmerei waren ein ständiger Streitpunkt zwischen ihnen. Wieso Jeremy dauernd versuchte, ihn zu bevormunden, erschloss sich ihm nicht. Die ewige Nörgelei kotzte ihn allerdings an. Natürlich würde er es niemals wagen, das Jeremy direkt zu sagen. Sein Partner hatte da seine eigenen Methoden, um ihn in seine Schranken zu verweisen. Die waren alle höchst unangenehm und nur dank seines verdammten Dämonenbluts machbar. Mit einem Schaudern erinnerte er sich, wie ihn Jeremy einmal in einen Bannkreis aus Eberesche gelockt und ihn dort zwei Tage lang hatte schmoren lassen. Zedrik hatte schweißgebadet geheult, gebettelt und gejammert, um freigelassen zu werden. Das waren die schlimmsten Stunden seines Lebens gewesen. Bestimmte Siegel waren genauso wirksam wie Eberesche. Jeremy kannte sie alle und hatte damit eine gewisse Kontrolle über ihn. Die Tatsache, dass Jeremy keinerlei Scheu hatte, Eberesche gegen ihn einzusetzen, sorgte dafür, dass er nicht über die Stränge schlug und unausgesprochene Grenzen nicht überschritt.
Aber heute war da noch etwas anderes in der Miene seines Partners. Ein trauriger Zug, den Mr. Perfect nicht verbergen konnte und der bei einem Menschen sicherlich eine Regung ausgelöst hätte. Ohne Seele jedoch konnte er lediglich den unterdrückten Schmerz von Jeremys Gesicht ablesen und sich zumindest bemühen, wie ein mitfühlendes Wesen zu reagieren.
„Ist was?“
„Abgesehen davon, dass du dich wie der letzte Stadtpenner benimmst?“ Jeremy schnupperte demonstrativ. „Und auch so riechst?“
Hätte er man bloß nicht gefragt. Zedrik fischte eine Packung Zigaretten aus seiner Hemdtasche, die ihm Jeremy aus den Fingern riss, ohne den Blick von der Straße zu nehmen. Die Packung flog aus dem Seitenfenster.
„Im Auto wird nicht geraucht.“
Arsch! Das wagte er jedoch nicht laut zu sagen. Dafür nahm er die Sonnenbrille ab und genoss das Frösteln, das Jeremy angesichts seiner Augen überlief.
„Hast du Stress mit deiner Freundin?“ Er hatte Jeremys Freundin nie gesehen, wusste nicht einmal genau, ob sein Partner überhaupt in einer Beziehung steckte. Mr. Perfect erzählte kaum etwas Privates. Daher war diese Leidensmiene eine Chance mehr zu erfahren.
„Interessiert es dich gar nicht, was uns Madame Vivienne über Taznak sagen will?“
„Das werde ich früh genug erfahren.“ In solchen Dingen war er sehr gelassen.
„Ich hoffe, sie sieht über deine Schnapsfahne
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