Ein Haus in Italien
damit vollstopfen können, zusammen mit den dazu gereichten Täßchen verhängnisvoll starken Kaffees.
Zum Endspurt vor Ostern gehörte, daß in jedem Haus Eier gesegnet wurden. Die Eier, erfuhren wir, mußten eigene sein, aber wir waren immer noch die einzige Familie, die keine Hühner hielt. Im Dorfladen Eier zu besorgen, schien wie Betrug. Als ich sie kaufte, fragten mehrere besorgte Kundinnen, ob sie etwa gesegnet werden sollten. Man hatte mich bereits gewarnt, daß das eine Schande wäre. Ich behauptete, sie seien zum Backen, was vollends undenkbar war. Ein Chor besorgter älterer Damen versicherte mir, kein Kuchen könne je gelingen, wenn ich ihn mit gekauften Eiern zu backen versuchte.
»Sie müssen frisch sein«, sagten sie und lächelten fürsorg
lich, erheitert, daß ich auf eine solche Dummheit überhaupt hatte kommen können. Unsere bisherige Eierquelle war versiegt – ein Fuchs hatte die Hennen von Reginas Bar gefressen.
Ich verbrachte den Nachmittag damit, aus der reichen Fülle von Baumaterial unterhalb der Villa einen Hühnerstall zu basteln. Als er fertig war, rekrutierte ich Maria, die mich zu einem Geflügelhandel fahren sollte. Wir fuhren etwa eine Viertelstunde und hielten dann neben einer Tankstelle an einem kleinen, abgelegenen Haushaltswarengeschäft. Der Besitzer führte uns durch den Laden nach hinten zu einem Hennenwolkenkratzer aus Draht. Es folgte eine lange Diskussion, der ich entnahm, daß weiße Hennen schneller wachsen und leichter zu rupfen sind, aber abgeknickte Füße bekommen, wenn man sie als Legehennen hält. Gesprenkelte Hennen sind die größten, aber nicht die besten, während die kleinen roten Hennen die gleichmäßigsten Eier legten. Ich kaufte drei kleine rote Hennen, die der Verkäufer ohne weitere Umstände aus ihrem Käfig im vierten Stock zerrte und an den Füßen mit Kordel zusammenband. Dann rieß er eine große Plastiktüte an einer Ecke auf und steckte die protestierenden Hennen kopfüber hinein, woraufhin sie augenblicklich verstummten und während der Heimfahrt auf dem Rücksitz von Marias Fiat 500 nur noch lautlos protestierten, indem sie flüssigen Kot über meine Beine kleckerten.
»Morgen früh haben Sie Eier«, hatte der Haushaltswarenhändler zugesichert.
Es waren noch sechs Tage bis Ostern. Um die Zeremonie des Segnens zu überstehen, brauchten wir ein Ei für jedes Familienmitglied und je eines für die drei Gäste, die wir erwarteten. Vierundzwanzig Stunden vor Ostersonntag hatten die
Hennen ihre Körner aufgefressen, ihren Verschlag mit Exkrementen zugekleistert, aber kein Ei gelegt. Als Don Annibale, der Priester, mit seinem Meßdiener kam, segnete er neun gekaufte Eier. Zuvor fragte er mich freundlich:
»Halten Sie Hühner, Signora?« und ich konnte wahrheitsgemäß sagen: »Ja.«
23. Kapitel
A nfang April war wie der Beginn eines Wettrennens. Die Lilien schossen hoch, die Schwalben waren wieder da und bauten in den Dachvorsprüngen und in jeder verfügbaren Ecke unter den noch ungestrichenen Decken ihre Nester. Die Arbeiter waren wieder da. Die Truppe bestand aus zwölf Leuten, aber es schienen viel mehr zu sein, denn sie waren im ganzen Haus und bauten ebenso fieberhaft wie die Schwalben und Mauersegler, um unser Nest zur Geburt unseres Kindes vorzubereiten. Auch Iseult war wieder da und wollte nicht nur am liebsten gleich in der nächsten Woche heiraten, sondern auch ein gewaltiges Fest geben. Und schließlich hatten wir, was einen Teil all dessen finanzierte, unsere Wohnung in Venedig verkauft, und es waren Vorbereitungen im Gange, die Möbel durch den engen Kanal vor der Wohnung auf das Festland und weiter nach Umbrien hinunter zu transportieren, um einige der Räume zu füllen, die Imolo und seine Helfer plötzlich in quasi bewohnbare Zimmer verwandelten.
Mit größten Schwierigkeiten überredete ich Iseult und Michael, ihre Hochzeit von dem Tag im Mai, den sie sich ausgesucht hatten, auf Ende Juni zu verschieben. Dies war der frühestmögliche Termin für mich, da ich wußte, daß ich mit Kaiserschnitt entbinden würde. Nach erheblichem Handeln und Feilschen wurde die Hochzeit auf exakt drei Wochen nach dem Geburtstermin festgelegt, und unser Leben füllte sich mit Listen. Es gab Gästelisten, Weinlisten, Essenslisten,
Übernachtungslisten, Musiklisten, Transportlisten und noch viel mehr. Iseult und Michael hatten beide viele Freunde, und Iseult hat meine Größenphantasien geerbt und weiter ausgeschmückt. Sie wollte ein
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