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Ein Herz bricht selten allein

Ein Herz bricht selten allein

Titel: Ein Herz bricht selten allein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gitta von Cetto
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Blicke zu den Burschen hinüber, die in Gruppen an ihnen
vorbeischlenderten. Nur diejenigen, die offiziell verlobt waren, zeigten sich
an der Seite ihres Auserwählten. Die Fremden brachten ihr Geld, ihre Autos,
ihre Hunde, Wohnwagen, Motorboote und ihre lockeren Sitten auf die Insel; aber
bis auf ihr Geld nahmen sie alles wieder mit nach Hause, einschließlich der
Sittenfreiheit. Wenn dann im Oktober oder November die rauhen Winde, die
Regenböen und die Wollstrümpfe die Insel beherrschten, fiel alles zurück in das
Leben der Großmütter und Urgroßmütter.
    Anna saß vor der Bar auf der
kleinen Piazza und trank ihren Espresso. Sie blätterte im Oggi, um ihre
italienischen Sprachkenntnisse aufzufrischen. Aber sie war mit ihren Gedanken
nicht bei der Sache. Riesiger Gesellschaftsskandal in Rom, irgendein Mann in
Hamburg — oder war es Köln oder vielleicht auch Zürich? — hatte mit dreißig
Millionen Bankrott gemacht. Sie trank den heißen, übersüßen Espresso in einem
Zug aus. Was interessierte sie dieser Bankrott eines Unbekannten, wenn ihr
eigener bevorstand? Ihre Hand tastete nach dem Amulett, das sie sich gegen den
bösen Blick des Giuseppe Rocca gekauft hatte. Sie trug den gegabelten
Korallenzweig an einem goldenen Kettchen um den Hals. Der Pfarrer und der
kleine Polizist erzählten am Nebentisch einander Witze. Sie lachten schallend.
Anna hätte sich gern zu ihnen gesellt. Was sie in ihrer Einsamkeit ausgeheckt
hatte, mußte sie mit jemandem bereden. Das Amulett bot nicht genügend Schutz
gegen die Torheit, die sie morgen begehen würde. Anna war überzeugt, daß Peppo
Rocca, für dessen Grundstück sie sich nun entschlossen hatte, sie übers Ohr
hauen würde. Ein Italiener! Und noch dazu ein Furbo, ein Schlaukopf...
    Neben Anna hatte sich eine Frau
niedergelassen, eine Deutsche. Eine von jenen Touristinnen, die ihr in der
Sonne krebsrot gesottenes Fleisch großzügig zur Schau stellen. Anna streckte
ihre Nase tiefer in ihre Zeitschrift. Wie würde die Landsmännin es wohl
aufnehmen, wenn man ihr einen Geldschein in die Hand drücken würde mit der
inständigen Bitte, sich einen Rock zu kaufen, einen schlichten blauen oder
braunen oder weißen Rock, und die giftgrünen Shorts in den Koffer zu verbannen?
    Die Stimme der Dame drang in
kurzen Trompetenstößen über die Piazza. »Also, ich führe zu Hause ein strenges
Regiment. Marsch, Mutter beim Abwasch helfen, heißt es da. Kein langes
Federlesen. Und morgens: Marsch, unter die kalte Dusche! Und wenn die Kinder
nicht parieren: Marsch, marsch aufs Zimmer.«
    »Marsch-marsch-marsch«, hörte
Anna immer wieder. Sie warf über den Rand der Zeitung einen erschrockenen Blick
auf die befehlsgewohnte Dame. War sie selbst zu gut zu ihren Kindern gewesen?
»Kinder müssen vor ihren Müttern Respekt haben, das ist das oberste Gesetz«,
verkündete die rotschenklige Dame. Wie konnte man mit diesem Aufzug Respekt erheischen wollen? Es mußte ein besonderer Trick dabei sein.
    Anna bestellte sich einen
zweiten Espresso. Der kleine Polizist mit dem pfiffigen Jungengesicht kam
vorbei und zwinkerte ihr zu. Anna trug ein einfaches rotes Hemdblusenkleid. Ihr
fiel ein, was Frank aus Amerika geschrieben hatte, als sie ihm im Frühjahr ein
Foto von sich und Bettina und ihrer kleinen Enkelin geschickt hatte: » Du
könntest die Schwester Deiner Tochter und die Mutter Deiner Enkelin sein .«
    »Quatsch«, sagte Anna laut und
hob den Finger. Der Barbesitzer kam, sie zahlte.
    Als sie eine halbe Stunde
später in Peppos Wohnung den Vertrag über den Erwerb noch näher zu
bezeichnender und alsbald durch den Geometer zu vermessender fünfzehnhundert
Quadratmeter >terreno< unterzeichnete, rieselte es ihr kalt über den
Rücken.
    Peppo trug einen Schnauzbart,
der ihn zornig und entschlossen erscheinen ließ.
    »Sie haben das schönste
Grundstück von ganz Elba gekauft, Signora. Und spottbillig«, sagte er und legte
das Dokument auf das Büfett zwischen die blonden Stoffpuppen und die giftgrünen
Likörgläser.
    »Ich weiß«, erwiderte Anna mit
zitternder Stimme.
    Der Hang fiel steil zum Meer
ab, und das Geröll war locker. Mein Haus wird ins Meer rutschen, ins schöne
blaue Mittelmeer, samt mir und meiner Schreibmaschine! Anna überschlug die
Kosten für ihre Beerdigung und die Scherereien, die sie ihrer Familie damit
aufhalsen würde. Bettina, Poldi und Franzi wären sicher untröstlich, aber sie
würden sagen: Echt Mama! Anna war ganz geknickt, als sie in Gedanken ihrer
eigenen

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