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Ein Herz bricht selten allein

Ein Herz bricht selten allein

Titel: Ein Herz bricht selten allein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gitta von Cetto
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Beerdigung beiwohnte.
    »Übermorgen um zehn kommt der
Geometer, um das Grundstück zu vermessen, und dann könnten wir vielleicht am
Freitag zum Notar gehen.«
    Anna nickte. Sie sah nur den
fröhlich nach oben gerichteten Schnauzbart, ohne den Sinn der Worte recht zu
begreifen. Aber dann wurde sie plötzlich ganz wach, als Peppo davon sprach, ob
sie ihm nicht morgen schon eine Kleinigkeit anzahlen könnte.
    »Das erste Drittel bei Abschluß
des notariellen Vertrages. Notariell«, sagte sie betont. »Ist es auch sicher,
daß der Wasseranschluß nur vierzig Meter entfernt ist? Ich habe keine Lust,
unendliche Gelder nur fürs Wasser auszugeben.«
    Peppo Rocca pustete
verächtlich. »Vierzig oder fünfundvierzig Meter, höchstens fünfzig. Ich habe es
abgeschritten.«
    Er war ein Riese mit langen, in
den Gelenken ausgeleierten Beinen, die er beim Gehen energisch vorwärtswarf.
Pro Schritt machte er sicher eineinhalb Meter. Die Wasserleitung würde also
nicht fünfzig Meter lang werden müssen, sondern fünfundsiebzig. Oder hundert.
    Peppos Frau schleppte, wie Anna
es befürchtet hatte, die giftgrünen Gläser heran und füllte sie mit einem
dickflüssigen gelben Likör. Sie ließ sich schwer schnaufend am Tisch nieder.
Ihr Körper, der in vielen schwarzen Röcken steckte, quoll übei das
goldverzierte Stühlchen.
    »Salute, Signora!«
    »Salute!«
    Auch der Schnauzbart hob sein
Glas. »Cincin!«
    Anna rauchte eine Zigarette,
aber sie konnte sich dadurch nicht vor den Aniskeksen schützen, die Peppos Frau
ihr immer wieder aufdrängte.
    »Nehmen Sie, Signora, Sie
müssen dicker werden.« Ihr freundlich anteilnehmender Blick glitt über Annas
Schultern, die Brust und die Taille. »Man muß essen«, verkündete sie. »Meine
Großmutter ist an consunzione gestorben.«
    Anna fehlte das deutsche Wort
für consunzione. Sie sah in ihrem Wörterbuch nach, bediente sich um des
lieben Friedens willen mit einem zehnten Keks und erklärte, daß sie niemals an
der Auszehrung sterben würde. Sie dachte an die zahllosen Frühstücksbrötchen
und die vielen Tafeln Schokolade, die sie sich verkniffen hatte, um ihr Gewicht
zu halten. Warum nicht in Italien leben, fett werden, fett wie all die Signoras
und die vielen schwarzgekleideten Witwen hier, und Nerven wie Taue bekommen:
Das wäre herrlich! Anna war hier in Capoliveri noch keiner nervösen Frau
begegnet.
    Sie mußte die Bilder der
Kinder, der Brüder, der Schwestern, Eltern und Schwäger betrachten, der
lebenden und der verstorbenen, natürlich auch die der in Australien lebenden
Enkelkinder. Nach dem gelben Likör und den Aniskeksen zwang man ihr ein großes
Glas schweren Aleatico auf. Der Weinfleck, den Peppos Frau beim Eingießen auf
das weiße Tischtuch machte, sah aus wie dunkelblaue Tusche. Die Frau verschwand
auf einen Wink ihres Mannes und kehrte mit einer Schüssel fliederfarbener
Eiskrem zurück, die sie aus der Bar geholt hatte. Anna fühlte sich schwummrig,
die Zunge klebte ihr am Gaumen, und ihr Magen, der dem Ansturm der Genüsse und
dem Gedanken an den kühn unterschriebenen Kaufvertrag nicht gewachsen war,
revoltierte. Signora Rocca geleitete sie zum >gabinetto<. Man gelangte
von der Küche aus in dieses intime Kämmerchen, das wie alle seine Artgenossen
als ein kleiner Mauerauswuchs fröhlich über den engen Gassen schwebte. Die Tür
ließ sich nur schließen, wenn das >gabinetto< unbenutzt war, sonst ragten
die Knie des Besuchers in die Küche. Anna beeilte sich.
    Mit dem Kaufvertrag in der
Tasche und erheblichen Mengen von Süßwein, Likör, Aniskeksen und
Himbeergefrorenem im Magen wankte sie ins Freie, und sie fragte sich allen Ernstes,
ob ihre Kinder nicht doch besser daran getan hätten, sie zu entmündigen. Bei
einem ihrer Familienkräche hatte Poldi diese Möglichkeit angedeutet.
    Ausgerechnet Poldi, der in der
Welt herumzigeunerte. Er behauptete, er sei auf der Suche nach sich selbst. Sie
fand, er unterschied sich in nichts von den überall herumlungernden Gammlern.
    Anna wußte nicht allzuviel von
ihrem Sohn Leopold. Zeitweise hatte er irgend etwas mit Film zu tun, zeitweise
mit der Polizei wegen Schnellfahrens oder unbezahlter Autosteuern. Eine Weile
hatte er mit dem Gedanken gespielt, in ein tibetanisches Kloster einzutreten,
aber dann war er doch lieber Barmixer in Paris geworden. Er hatte es jedoch bei
diesem Job nicht lang ausgehalten. »Weißt du, Mama, du kannst dir das gar nicht
vorstellen, Barmixen ist entsetzlich anstrengend.« Anna konnte sich

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