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Die Komplizin - Roman

Die Komplizin - Roman

Titel: Die Komplizin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm-Goldmann-Verlag <München>
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Danach
    Ich wandte mich zur Wohnungstür um. Dass sie geschlossen war, reichte mir nicht. Was, wenn plötzlich jemand kam? Womöglich mit Schlüssel? Um ja nichts zu berühren, zog ich mir den Ärmel über die Hand und schob, durch den dicken Stoff sehr linkisch, so leise wie möglich den Riegel vor. Obwohl alle Lichter brannten, waren die Vorhänge nur halb zugezogen. Ich schlich entlang der Wand zum Fenster und spähte hinaus. Nachdem ich mich davon überzeugt hatte, dass unten auf der dunklen Straße niemand war, schloss ich die Vorhänge. Dann ließ ich den Blick mit der Leidenschaftslosigkeit einer Kamera durch den Raum schweifen, von einem Gegenstand zum nächsten. An der Wand hing ein gerahmtes Foto, das ich mir noch nie richtig angesehen hatte. Nun stellte ich fest, dass es einen verschwommenen Schwarm orangeroter Schmetterlinge zeigte. Auf dem kleinen Tischchen standen ein Telefon (was, wenn es plötzlich zu klingeln begann?) und eine Schale mit einem kleinen Schlüsselbund. Wem gehörten die Schlüssel? Wahrscheinlich ihm. Darüber musste ich noch nachdenken. An einem gemütlich aussehenden braunen Wildledersessel lehnte der Gitarrenkoffer. Die Gitarre selbst lag daneben auf dem Boden. Sie war in der Mitte zersplittert, so dass die Saiten zwischen dem kaputten Holz hingen. Rasch wandte ich den Blick wieder ab und ließ ihn stattdessen zum Fernseher wandern, der in meiner Anwesenheit nie gelaufen war, und von dort weiter zu dem großen gestreiften Sofa, wo wir … nein, denk nicht daran, ermahnte ich mich selbst. Ruf es dir nicht ins Gedächtnis.

    Über der Lehne hing mein Schal, den ich ein paar Tage zuvor dort zurückgelassen hatte. Ich griff danach und wickelte ihn mir um den Hals, wo ich den violetten Bluterguss wie eine hässliche Erinnerung pochen spürte. Mein Blick fiel auf das Bücherregal. Die Bücher, von denen einige über den Boden verstreut lagen, gehörten alle Liza. Größtenteils handelten sie von Kunst und Design, ein paar auch vom Reisen. Liza befand sich momentan weit weg, tausend Meilen von hier entfernt.
    In einigen Regalfächern waren Kunstgegenstände und Kuriositäten, kleine Skulpturen und Töpferarbeiten aufgereiht. Ein winziger Buddha aus Messing, ein grünes Fläschchen mit einem Silberstöpsel. Liza brachte immer irgendetwas von ihren Auslandsreisen mit. An der gegenüberliegenden Wand stand ein niedriger Schrank mit einer Ministereoanlage obendrauf. Das Drahtgestell des CD-Ständers war kaum zur Hälfte gefüllt. Die CDs gehörten ebenfalls Liza  – alle bis auf eine. Ich ging hinüber und benutzte meine Finger als Pinzette, um damit vorsichtig die Hank-Williams-CD herauszufischen, die ich in der Vorwoche mitgebracht hatte. Wie ich beim Öffnen der Hülle feststellte, war sie leer. Nachdem ich mir erneut den Ärmel über die Hand gezogen hatte, ließ ich per Knopfdruck das CD-Deck ausfahren. Da war die Scheibe ja. Ich schob den kleinen Finger in das Loch und verfrachtete sie zurück in die Hülle, die ich anschließend auf die Stereoanlage legte. Ich musste mir zum Transport erst eine Plastiktüte suchen.
    An der Wand zu meiner Rechten stand ein Tisch aus Kiefernholz, der Liza als Arbeitsplatz diente. Die Post, die in den Wochen ihrer Abwesenheit eingetroffen war, lag nicht mehr zu einem Stapel geschichtet, sondern wild durcheinander über die Tischplatte verstreut, zum Teil auch auf dem Teppich. Auf dem Tisch befanden sich darüber hinaus ein silberfarbenes Laptop, dessen Netzkabel auf dem geschlossenen Deckel ordentlich zusammengerollt war, eine lustige kleine Schildkröte aus grünem Kunststoff, die als Stifthalter diente, und eine
Blechdose mit Büroklammern und Gummibändern. Der zum Tisch gehörige Stuhl lag umgefallen daneben, flankiert von einer Vase, deren Inhalt  – ein Strauß roter Tulpen  – ebenfalls auf dem Boden gelandet war. Das ausgelaufene Wasser färbte den Teppich dunkel, so dass sein ursprünglich ziemlich heller, an Hafer erinnernder Braunton dort die Farbe von Pisse angenommen hatte.
    Auf dem Läufer gleich daneben lag die Leiche. Mit dem Gesicht nach unten und seitlich abgespreizten Armen. An der Haltung konnte man erkennen, dass er tot war  – noch deutlicher als an dem Blutfleck, der sich unter seinem Kopf ausgebreitet hatte. Die entsprechende Stelle sah sehr dunkel aus, eher schwarz als rot. Ich stellte mir seine geöffneten Augen vor, die dort in den rauen Läufer hineinstarrten, seinen aufgerissenen Mund, der sich schief gegen die

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