Ein Hummer macht noch keinen Sommer
wahr, heut wird mir alles klar «, sang Lilian Harvey. » Das gibt’s nur einmal, das kommt nicht wieder, das ist zu schön, um wahr zu sein. So wie ein Wunder fällt auf uns nieder vom Paradies ein gold’ner Schein … «
Epilog
H ertha hatte nicht Unrecht mit ihrer Vermutung.
Das Zusammentreffen dieser sechs Menschen, das stimmungsvoll auf einem Erinnerungsfoto festgehalten worden war, stand am Anfang von allerlei Veränderungen:
Die Büchershow stellte eine neue, blutjunge Moderatorin ein, die nach eigenem Bekunden nichts lieber tat, als Vampir- und Mittelalterromane zu verschlingen, und sich außerdem als Spezialistin für positive Wunsch-Schwingungen entpuppte.
»Ich habe mir so sehr gewünscht, eines Tages die Büchershow zu moderieren!«, rief sie mit gebleckten weißen Zähnen in die Kamera. »Und? Was sehen Sie?« Sie lachte ein wenig schwachsinnig. »Mich! Wie ich die Büchershow moderiere! Ist das nicht irre?«
Theodor erfuhr, dass sich sein Herzenswunsch erst im Loslassen desselben erfüllen konnte. Und als das geschehen war, merkte er, dass das Ganze eigentlich gar nicht seinen Vorstellungen entsprach.
»Hast ja Recht«, hatte er beim Entenfüttern im Park zu David gesagt. »Ich habe darüber nachgedacht. So wie es ist, ist es eigentlich am besten: Du bleibst in deinem Atelier in Mitte, ich habe meine große Wohnung für mich allein, und ab und zu besuchst du mich. Das ist doch eigentlich perfekt. Guck mal, da ist ja Dicki.«
»Was?«, hatte David gerufen und damit Dicki und einige andere Enten verscheucht. »Moment mal, also …« Eine Woche später war David bei Theodor eingezogen.
Drei Wochen später war er wieder ausgezogen.
Seither verstanden sie sich so gut wie nie zuvor, und Theodor hatte wieder viel mehr Geduld mit seinen Klienten.
Der Live-Auftritt vom Nettelbeckplatz verhalf Natalie zu unerwarteter Berühmtheit, denn einige Tage später tauchte bei youTube ein privater Mitschnitt auf und wurde in kurzer Zeit mehr als hundertzwanzigtausend Mal angeklickt. In Zeitlupe konnte man sehen, wie Natalie ein schweres Buch auf Annegret Rüttgers’ Kopf fallen ließ.
VERSUCHTER MORD LIVE IM FERNSEHEN , lautete die Schlagzeile der Bildzeitung.
BÜCHERFRAU HANDELT AUS NOTWEHR , hieß es am nächsten Tag.
Natalie gab Interviews, wurde in Talkshows eingeladen und bekam Angebote von seriösen Literaturzeitschriften, Fernseh- und Radiosendern.
Außerdem verfasste sie für La Cuisine einen langen Bericht über Davids Hummerbilder, der mit dem Satz begann: Wenn Sie genug haben von »Hummer klassisch lauwarm auf Salat«, dann hängen Sie sich doch mal ein richtig heißes Prachtexemplar an die Wand.
Und über die Fast-Food-Flowers schrieb sie:
Nie hätte ich gedacht, dass ein alter Laib Brot so traurig aussehen kann, umso mehr noch, wenn er auf verblühte Rosen gebettet ist. Oh, schmerzvoll vergänglich, glanzvoll endlich. Gewesen. Verflossen. Wundervoll.
Als Dankeschön schenkte David ihr sein Gemälde Gänseblümchenzuckersüß .
»Das muss ein Ende haben mit deiner Verschenkerei«, sagte sie zu ihm.
Und das hatte es auch bald. Denn kurz nach Erscheinen von Natalies Texten fragten die ersten Fischrestaurants aus Hamburg und Düsseldorf bei David an. Alle wollten seine Hummer, und ein großes Berliner Versicherungshaus erteilte ihm einen Fast-Food-Flowers-Großauftrag für das Foyer.
Rudolf fuhr mit Natalie nach Neuruppin und schritt dort sinnend vor der Löwen-Apotheke auf und ab. Mit dieser symbolträchtigen Handlung nahm er Abschied von seinem bisherigen Apothekerdasein.
Dann lud er Natalie zum Griechen ein, und noch bevor die erste Olive gegessen war, gestand er ihr seine Liebe. Zu ihrem eigenen Erstaunen dachte Natalie in diesem Moment weder an ihren Vater noch an die Mondlandung, sie fühlte lediglich ein wildes Flattern in der Herzgegend. Während sie sich über Auberginen-Dip und Pittabrot hinweg küssten, stellte Natalie fest, dass sie sich wohl verliebt haben musste. Zum ersten Mal in ihrem Leben in den richtigen Mann. Sollten wir eines Tages heiraten, dachte sie noch, dann will ich aber meinen Nachnamen behalten.
Und dann dachte sie gar nichts mehr, denn Rudolf war ein feuriger Küsser.
Mit ihrer Unterstützung stürzte er sich schon bald in das große Abenteuer Reuters Gemäldegalerie . Die erste Vernissage wurde ein rauschendes Fest.
Neben zahlreichen Bildern anderer Künstler stellte Rudolf auch Davids fast vergessene, aus dem Keller geholte Eiffeltürme aus, die sich wie
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