Ein Jahr – ein Leben
an, die Ordnung beim Drehen ist die Ordnung, die mir im Leben …
… manchmal fehlt?
Was würde wohl mit mir passieren, wenn ich mich dieser Ordnung eines Tages ganz verweigern würde? Ich habe es ja einmal probiert, vor elf Jahren, nach meinem 50 . Geburtstag, als ich ein Jahr lang keinen neuen Film gemacht habe.
Dafür haben Sie 200 Lesungen in dem Jahr gemacht, das war auch ein Korsett.
Ja, stimmt. Ich habe gemerkt, dass ich es brauche. Ich musste mich bei den vielen Lesungsterminen in eine eigene Ordnung hineinfinden, in einen Stundenplan, in dem genau festgelegt war, wann es von einer Stadt in die nächste ging.
Also noch einmal gefragt: Wo sind Sie?
Wo bin ich? Ich bin an einem Punkt, an dem ich mich frage, welches Verhältnis hat mein Leben zu meinem Filmleben? Das Drehen hält mich zwar nicht aus allem Privaten heraus, aber es hat schon Priorität, fürchte ich.
Die eigene Familie, der Partner, auch Freunde lassen Sie dann vermutlich eher in Ruhe.
Das ist ja gut so. Das Drehen ist auch ein Schutz vor Vielem. Und natürlich bin ich auch gerne alleine. Ich bin mit Sicherheit niemand für ein geregeltes Leben mit Partner und zu Hause, wissend, wer wann da ist.
Haben Sie das jemals gehabt?
Eigentlich nicht, vielleicht kurzfristig in meiner Beziehung zu Gabriel Lewy.
Mit ihm waren Sie 32 Jahre liiert, Sie haben zusammen in München gelebt.
Anfangs in unserer Beziehung habe ich noch viel gearbeitet. Als es dann gut lief, habe ich mich schon ziemlich faul zurückgelehnt. Aber selbst da waren wir häufig unterwegs, weil auch Gabriel niemand ist, der einen geregelten Tagesablauf schätzt. Er reist unglaublich viel. Sie sehen schon: Da hatten sich zwei unruhige Geister getroffen.
Sie sind auch etwa zehn Monate im Jahr unterwegs, obwohl Ihr Wohnsitz Berlin ist.
Ja, die Dreharbeiten führen einen oft weg von zu Hause, und das bringt mich auch immer häufiger zu der Frage, was ist Lebenszeit? Mir wird immer klarer, dass es nicht um das eigene, ansteigende Alter geht, sondern im Gegenteil darum, die verbleibende Zeit wahrzunehmen. Wo stehe ich? Noch ein Film. Noch ein Film. Und noch ein Film. Was wäre, wenn es nicht der Film wäre? Was wäre das Intensive am Leben? Ich würde dann bestimmt in ein paar Ausstellungen und Theaterinszenierungen mehr gehen, Freundschaften besser pflegen.
Die Intensität ist beim Drehen bestimmt größer.
Auf der anderen Seite stelle ich fest, dass ich aus Zeitungen Artikel über Ausstellungen herausreiße, die ich wirklich gern sehen würde, über Reisen, die ich noch machen möchte. Ich lege diese Ausrisse auf einen Stapel neben mein Bett, und ich sehe ja, wie dieser Stapel höher und höher wird.
Und dann denken Sie: Wann will ich das eigentlich machen?
Ja, man gewöhnt sich an diese Haltung, dieses Ich-mache-das-dann-Später. Ich bin nur jetzt an einem Punkt, an dem ich mich frage: Wann ist denn bitte »später«?
Sprechen Sie darüber, etwa mit Ihrem Partner Heiko Kiesow, mit Ihrer Familie, mit Freunden?
Das ist nicht ganz unkompliziert, weil die meisten Menschen, die um mich herum sind, die Intensität, die ich kenne, nicht so leben. Da sagt es sich dann vielleicht leichter, tritt mal ein paar Schritte zurück, atme tiefer, slow down. Ich glaube nur: Ich wäre gar nicht gut als Slow-Downer. Andererseits frage ich mich, welchem Wettbewerb ich mich eigentlich immer noch stelle.
Was glauben Sie?
Ich finde keine Antwort. Ist es immer noch ein Bedürfnis, mich beweisen zu wollen als ernstzunehmende Schauspielerin? Weil mein Weg in diesen Beruf so unkonventionell war? Wenn ich mir die Biographien von sehr geschätzten Kollegen anschaue, vergleiche ich mich und denke immer noch: Da hast du dich aber ganz schön reingemogelt.
Sie denken das immer noch? Nach Jahrzehnten in Ihrem Beruf?
Immer noch, ja. Aber das meine ich, wenn ich beschreibe, wie unterschiedlich der Blick der Öffentlichkeit und mein eigener Blick auf mich ist. Wenn diese beiden Blicke sich anfangen zu decken, wird’s gefährlich. Es ist sicher schön, Erfolg zu haben, aber es ist verdammt schlecht, wenn der Erfolg dich hat, wenn er bestimmt, wenn du nur noch danach handelst, wenn er der Weg ist. Ich habe das erlebt, so wie ich das in der Rede in München angedeutet habe, was passiert, wenn das Kalkül siegt.
Nennen Sie ein Beispiel.
Ich habe einen Film gemacht, die Verfilmung eines Stoffes der Autorin Hera Lind …
… die in den neunziger Jahren sehr erfolgreich Frauenromane geschrieben hat …
…
Weitere Kostenlose Bücher