Ein kalter Hauch im Untergrund - Neal Carey 1
Hosentasche und reichte Graham den Film. »Pornos?«
»Wertvolle Pornos.«
»Hab ich mir gedacht. Wo ist der Gorilla?«
»Kühlt seine Eier. Abfallen sollen sie ihm!«
»Sieht so aus, als hätte er Sie erwischt.«
»So was kommt vor.«
»Haben Sie Ihren Arm nicht schnell genug abgekriegt?«
»Ich hatte Angst, daß er ihn auffrißt.«
»Ich war mir nicht sicher, ob Sie’s schaffen.«
»Du bist jedenfalls nicht lange genug geblieben, um es herauszufinden.«
»Ich dachte mir, der Film wäre wichtiger.«
»Da hattest du recht.«
»Ich weiß.«
»Willst du ‘n Job?«
»Yeah.«
»Wann kannst du anfangen?«
»Jetzt.«
»Okay. Mach dich auf den Weg zum Carnegie Deli. Dort arbeitet ein Mann namens Ed Levine. Groß, kräftig, schwarze Locken. Sag ihm, du kommst von mir. Gib ihm den Film. Wenn er fragt, warum ich nicht selber komme, sagst du, ich wäre verwundet und müßte den Schmerz ertränken. Verstanden?«
»Klar.«
»Es ist genauso einfach wie den fetten Mann zu suchen und ihm den Film zu verkaufen. Aber das solltest du besser nicht tun, denn dann werde ich dich finden und…«
»Ich weiß.«
»Komm morgen nachmittag um zwei Uhr wieder her.«
»Warum?«
»Für deine Erziehung, mein Sohn.«
Und so fing Neal Carey an, für die Freunde der Familie zu arbeiten. Natürlich nicht Vollzeit und auch nicht sehr oft. Aber eine Agentur wie die Freunde muß oft schnell und leise irgendwohin und wieder wegkommen.
2
Jeder, der auch nur in der Nähe von Providence, Rhode Island, aufgewachsen ist, kennt das alte Bankgebäude. Hinter seinen grauen Mauern lagern die Schätze aus Sparschweinen, die Geburtstagsgeschenke reicher Onkel und die wöchentlichen Lohnschecks der sparsamen Arbeiter New Englands, seit Rum, Sklaven und Gewehre aus der Stadt mehr als einen Wochenmarkt gemacht hatten. Später beherbergte die Bank die Gewinne der Textilmühlen des südlichen New England, der Schieferminen von Pawtucket und der Fischereibetriebe Galilee & Jerusalem an der Mündung der Narragansett Bay.
Jeder wußte, daß die Bank solide war. Sie bot keine Toaster, Heizkissen oder Trockner an, um Kunden zu ködern. Sie hatte ihren Ruf: vertrauenswürdig, sicher, beständig. Dieses Image lockte die Leute mitsamt ihren Nickels, Dimes und Dollars vor die Mahagonitresen, deren Auszahlungsfenster an die Kanonenöffnungen der alten Fregatten erinnerten, die der Stadt Reichtum verschafft hatten. Keine Summe war zu gering oder zu groß.
Die Reichen wurden von etwas anderem angezogen: Vertraulichkeit. Die Bank, das war die Familie Kitteredge, und die Kitteredges waren die Bank. Die Kitteredges hatten gezählt, gespart, investiert und das Geld der Reichen versteckt, seit die britischen Steuerfahnder der Krone ihren Anteil an dem lukrativen Amerikahandel zukommen lassen wollten. Heutzutage mußten sie sich mit unbarmherzigen IRS-Computern plagen. Die Kitteredges waren vertraulich auf eine Art, wie man sie nur in New England und im tiefen Süden findet. Jemand, der erst in der dritten Generation sein Guthaben von den Kitteredges verwalten ließ, galt ihnen als Neukunde. Stammkunden waren die Familien, die ihr Geld bereits vor der Revolution auf die Bank gebracht hatten. Das Geld der Bank kämpfte mit in der Revolution – in Form von Uniformen, Musketen, Schießpulver. Auch einer der Kitteredges, Samuel Joshua, trug eine der Uniformen, verärgerte seinen Großvater jedoch, weil er sich in Yorktown erschießen ließ. Viel wichtiger erschienen dem alten Mann aber ohnehin die ebenfalls von den Kitteredges finanzierten privaten Kaperfahrten auf dem Atlantik, die dem Heimatland insofern dienten, als sie die britische Seemacht schwächten. Sie brachten der Bank eine Menge Geld ein.
Die Kitteredges hatten Talent darin, weibliche und männliche Nachkommen im richtigen Verhältnis zu gebären. Kitteredge löste Kitteredge als Präsident der Bank ab, mit gerade soviel fremden Genen, um Schwachsinn zu verhindern und das Geschäft in der Familie zu belassen.
Das 19. Jahrhundert war eine goldene Ära für die Familie und ihre Bank. Es war eine Zeit, in der steigender privater Reichtum Hand in Hand mit dem Wachstum des Vaterlandes ging. Der Bürgerkrieg brachte einen Finanzboom, und ein weiterer Sproß der Familie, Joshua Samuel, marschierte in Reih und Glied, um das Leid jener Sklaven zu beenden, an denen seine Vorfahren so viel verdient hatten. Der junge Joshua kehrte nicht zurück; sein Grab wurde im frostigen Boden von Fredericksburg
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