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Ein kalter Strom

Ein kalter Strom

Titel: Ein kalter Strom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Val McDermid
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Fernsehmoderators Jacko Vance hat heute begonnen. Vance, der früher britischer Meister im Speerwerfen war, wurde wegen der Ermordung eines Polizisten vor achtzehn Monaten zu einer lebenslänglichen Haftstrafe verurteilt. Es wird erwartet, dass die Berufungsverhandlung zwei Tage dauern wird.
    Die Polizei hat in Nordirland dazu aufgerufen, Ruhe zu bewahren …« Er sprach weiter, aber Tony hörte nicht mehr zu. Eine letzte Hürde, dann würde es endlich vorbei sein. Die Angst, so hoffte er inbrünstig, würde sich endgültig legen. Verstandesmäßig wusste er, dass es keine Chance für die Berufung von Vance gab. Aber solange die Entscheidung nicht gefallen war, würde ihm die Unsicherheit keine Ruhe lassen. Er hatte dazu beigetragen, dass Vance hinter Schloss und Riegel kam, aber der arrogante Killer hatte immer weiter behauptet, er würde ein Schlupfloch finden und freikommen. Tony hoffte, dass der Weg in die Freiheit nur ein Hirngespinst im Kopf von Vance war.
    Als der Wagen den Hügel hinunter auf das kleine Haus am Meer zufuhr, das Tony vor einem Jahr gekauft hatte, fragte er sich, ob Carol von der Berufungsverhandlung gehört hatte. Er würde ihr heute Abend eine E-Mail schicken, um sicherzugehen. Gott sei gedankt für die elektronische Kommunikation. Dadurch ließen sich so viele peinliche Gelegenheiten vermeiden, die es beim Zusammentreffen oder sogar am Telefon immer wieder gegeben hätte. Es war ihm klar, dass er Carol gegenüber und zugleich auch gegenüber sich selbst versagt hatte. Er dachte fast immer an sie, aber ihr das zu sagen wäre ein Betrug gewesen, den zu begehen er nicht über sich brachte.
    Tony hielt auf der schmalen Straße vor dem Häuschen an und parkte das Auto am Gehweg. Im Wohnzimmer brannte Licht. Früher hätte bei diesem Anblick die Angst wie eine kalte Hand sein Herz umklammert. Aber seine Welt hatte sich auf so vielfältige Weise verändert, wie er es sich nie hätte träumen lassen. Jetzt wollte er nur, dass alles so blieb, wie es war: klar, beherrschbar, eingeteilt.
    Es war nicht vollkommen, keineswegs. Aber es war besser als nur erträglich. Und für Tony war besser als erträglich so gut, wie es je gewesen war.
     
    Das Klopfen der Motoren beruhigte ihn, so wie es immer gewesen war. Schlimme Dinge ereilten ihn nie auf dem Wasser. Solange er denken konnte, hatten Schiffe ihn geschützt. Es gab Regeln für das Leben an Bord, Regeln, die immer klar und einfach waren und die es aus guten, logischen Gründen gab. Aber selbst als er noch zu jung gewesen war, um das zu verstehen, und unabsichtlich Dinge getan hatte, die er nicht hätte tun sollen, war die Strafe nie erfolgt, bevor sie an Land gingen. Er hatte gewusst, sie würde kommen, aber solange die Motoren dröhnten und ihm der Geruch von ungewaschenen Männerkörpern, altem Fett aus der Küche und dem Dieseltreibstoff in die Nase stieg, hatte er es immer geschafft, die Angst in Schach zu halten.
    Die Schmerzen hatten ihn immer erst heimgesucht, wenn sie das Leben auf dem Wasser hinter sich ließen und in die stinkende Wohnung am Fischereihafen in Hamburg zurückkehrten, wo sein Großvater ihm die Macht demonstrierte, die er über den kleinen Jungen in seiner Obhut hatte. Während er noch schwankte, um an Land das Gleichgewicht zu halten, fing die Strafe schon an.
    Wenn er daran dachte, schien sich jetzt noch die Luft in seiner Lunge zusammenzupressen, und seine Haut fühlte sich an, als kräusle sie sich auf dem Körper. Jahrelang hatte er versucht, nicht daran zu denken, weil er sich dann so schwach fühlte, wie zerbrochen. Aber nach und nach hatte er begriffen, dass er so nicht entkommen würde. Es war nur ein Aufschieben. Deshalb erinnerte er sich jetzt absichtlich und schätzte die schrecklichen Empfindungen fast, denn sie waren ein Beweis, dass er stark genug war, um seine Vergangenheit zu besiegen.
    Kleine Verstöße hatten damals bedeutet, dass er gezwungen wurde, in der Küche in der Ecke zu stehen, während sein Großvater auf dem Herd Wurst mit Zwiebeln und Kartoffeln anbriet. Es roch besser als alles, was der Schiffskoch jemals auf den Tisch brachte. Ob es auch besser schmeckte, erfuhr er nie, denn wenn die Zeit zum Essen kam, musste er in der Ecke warten und zusehen, wie sein Großvater den dampfenden Teller Gebratenes verdrückte. In den köstlichen Duft eingehüllt, stand er da, sein Magen verkrampfte sich vor Heißhunger, und sein Mund war voller Speichel.
    Der alte Mann schlang das Essen in sich hinein wie ein

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