Ein kalter Tag im Paradies – DuMonts Digitale Kriminal-Bibliothek: Alex-McKnight-Serie (German Edition)
Rose. Ich wage es, mich über Sie lustig zu machen. Und wissen Sie auch, warum? Weil Sie ein gottverdammtes gottserbärmliches durchgeknalltes Stückchen Scheiße sind, darum! Wollen Sie mir nicht was von dem Mann erzählen, den Sie umgebracht haben? Wollen Sie mir nicht von seiner Frau und seinen beiden Kindern erzählen?«
»Man hat Sie doch hierhergeschickt, oder?«
»Er hatte zwei Töchter, Rose. Zwei süße Mädchen.«
»Ich weiß, daß man Sie hergeschickt hat.«
»Sie mußten auf die Beerdigung ihres Vaters gehen, Rose. Zwei kleine Mädchen, die neben einem Loch in der Erde standen, weil Sie ihren Daddy umgebracht haben.«
»Sagen Sie ihnen, daß ich nicht käuflich bin«, erklärte er. »Sagen Sie ihnen, daß man mein Wissen nicht kaufen kann.«
»Übrigens, wie ist es denn so im Gefängnis?« fragte ich. »Sie gehören hier doch zur herrschenden Schicht. Ich wette, Sie haben hier viele neue Freunde gewonnen.«
»Ich kann hier gehen, wann immer ich will.«
»Warum machen Sie’s dann nicht? Wieso gehen Sie nicht auf der Stelle? Kommen Sie, wir gehen ein Bier trinken.«
»Zur Zeit geruhe ich, hierbleiben zu wollen.«
»Klar tun Sie das. Es muß Ihnen hier ja gefallen. Bestimmt behandelt man Sie hier sehr zuvorkommend. Wie oft sind Sie schon vergewaltigt worden, seit Sie hier sind?«
Zum erstenmal, seit er sich gesetzt hatte, sah er weg.
»Wie oft«, fragte ich. »Mir genügt eine überschlägige Zahl. Hundertmal? Zweihundertmal?«
Er sah mich an und kratzte sich am Bart.
»Und wo machen sie das, Rose? Unter der Dusche? Wie oft sind Sie unter der Dusche vergewaltigt worden?«
»Sie sind ja verrückt.« Plötzlich hatte seine Stimme eine gewisse Schärfe.
»Gibt es da nicht sogar einen Ausdruck für? Angst vor den Alligatoren haben? So nennt man es doch, wenn einer nicht duschen will, weil er weiß, daß er dann wieder vergewaltigt wird, oder?«
»Ihr seid alle verrückt.«
»Erzählen Sie mir von Raymond Julius«, bat ich ihn.
»Ich kenne diesen Namen nicht.«
»O doch, Sie kennen ihn. Sie haben mit ihm gesprochen. Oder ihm Briefe geschrieben.«
»Es ist ein interessanter Name. Mir gefällt er.«
»Was denn nun? Haben Sie mit ihm gesprochen oder haben Sie ihm Briefe geschrieben?«
»Der Name hat einen sympathischen Klang.«
»Hat er Sie besucht?«
»So viele besuchen mich.«
»Na klar, die stehen jeden Morgen Schlange am Tor.«
»Ich habe viele Freunde. Die kommen mich besuchen und fragen mich um Rat.«
»Um Rat für was? Wie man ein besonders durchgeknallter Scheißfall für die Psychiatrie wird?«
»Sie kommen aus der ganzen Welt.«
»Zwei Töchter, Rose. Zwei süße Mädchen. Sie haben ihren Vater umgebracht.«
»Ich habe beide umgebracht«, sagte er.
»Beide was?«
»Ich habe alle beide erschossen«, sagte er. »Und alle beide sind tot.«
»Wer ist tot?«
»Die beiden Polizisten. Sie sind beide tot. Ich habe sie entfernt.«
»Da werden Sie aber überrascht sein, Rose.« Ich lehnte mich dichter an die Scheibe. »Sehen Sie mich an. Ich bin nicht tot.«
»Ich habe beide entfernt.«
»Ich bin nicht gestorben, Rose. Mich haben Sie nicht entfernt.«
»Sie sind gestorben. Ich habe sie beide entfernt.«
»Ich war doch beim Prozeß, wissen Sie das nicht mehr? Ich habe doch dazu beigetragen, daß man Sie eingesperrt hat.«
»Ich genieße das richtig«, sagte er. »Wirklich, das macht Spaß. Sie sollten öfter hierherkommen.«
»Hören Sie, mir ist es scheißegal …« Ich hielt inne. Moment mal, dachte ich. Hier stimmt etwas nicht. Der Mann erzählt mir, er hat mich getötet. Er glaubt, daß ich tot bin. Mithin kann er Julius den ganzen Scheiß, daß ich der Erwählte bin, gar nicht erzählt haben; denn er denkt, ich bin tot.
Es sei denn, er will mich jetzt auf den Arm nehmen. Es sei denn, er spielt ein Spielchen mit mir.
»Ich frage Sie noch einmal«, sagte ich. »Hat ein Mann namens Raymond Julius mit Ihnen Kontakt aufgenommen oder nicht?«
»Warum müssen Sie das wissen?«
»Das spielt jetzt keine Rolle«, sagte ich. »Antworten Sie mir!«
»Sie sehen wirklich aus wie dieser Polizist«, meinte er. »Die Ähnlichkeit ist verblüffend.«
Ich stürzte mich förmlich auf die Scheibe. »ANTWORTEN SIE, VERDAMMT NOCH MAL!«
Rose lehnte sich so weit in seinem Stuhl zurück, daß er umstürzte. Der Hörer wurde ihm dabei aus der Hand gerissen. Er stieß einen unmenschlichen Schrei aus, und auf seinem Gesicht zeigte sich ein plötzlicher grenzenloser Schrecken. Der Wächter
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