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Ein Kampf um Rom

Ein Kampf um Rom

Titel: Ein Kampf um Rom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felix Dahn
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Erstes Kapitel
    Es war eine schwüle Sommernacht des Jahres fünfhundertsechsundzwanzig nach Christus. Schwer lagerte dichtes Gewölk über der
     dunkeln Fläche der Adria, deren Küsten und Gewässer zusammenflossen in unterscheidungslosem Dunkel: nur ferne Blitze warfen
     hie und da ein zuckendes Licht über das schweigende Ravenna. In ungleichen Pausen fegte der Wind durch die Steineichen und
     Pinien auf dem Höhenzug, welcher sich eine gute Strecke westlich von der Stadt erhebt, einst gekrönt von einem Tempel des
     Neptun, der, schon damals halb zerfallen, heute bis auf dürftige Spuren verschwunden ist.
    Es war still auf dieser Waldhöhe: nur ein vom Sturm losgerissenes Felsstück polterte manchmal die steinigen Hänge hinunter
     und schlug zuletzt platschend in das sumpfige Wasser der Kanäle und Gräben, welche den ganzen Kreis der Seefestung umgürteten.
     Oder in dem alten Tempel löste sich eine verwitterte Platte von dem getäfelten Dach der Decke und fiel zerspringend auf die
     Marmorstufen, – Vorboten von dem drohenden Einsturz des ganzen Gebäudes.
    Aber dies unheimliche Geräusch schien nicht beachtet zu werden von einem Mann, der unbeweglich auf der zweithöchsten Stufe
     der Tempeltreppe saß, den Rücken an die höchste Stufe gelehnt, und schweigend und unverwandt in einer Richtung über die Höhe
     hinab nach der Stadt zu blickte. Lange saß er so: regungslos, aber sehnsüchtig wartend: er achtete es nicht, daß ihm der Wind
     die schweren Regentropfen, die einzeln zu fallen begannen, ins Gesicht schlug, und ungestüm in demmächtigen, bis an den ehernen Gurt wallenden Bart wühlte, welcher fast die ganze breite Brust des alten Mannes mit glänzendem
     Silberweiß bedeckte.
    Endlich stand er auf und schritt einige der Marmorstufen nieder: »Sie kommen«, sagte er.
    Es wurde das Licht einer Fackel sichtbar, die sich rasch von der Stadt her dem Tempel näherte: man hörte schnelle, kräftige
     Schritte, und bald danach stiegen drei Männer die Stufen der Treppe herauf.
    »Heil, Meister Hildebrand, Hildungs Sohn!« rief der voranschreitende Fackelträger, der jüngste von ihnen, in gotischer Sprache
     mit auffallend melodischer Stimme, als er die lückenhafte Säulenreihe des Pronaos, der Vorhalle, erreicht.
    Er hob das Windlicht hoch empor – schöne, korinthische Erzarbeit am Stiel, durchsichtiges Elfenbein bildete den vierseitigen
     Schirm und den gewölbten durchbrochnen Deckel – und steckte es in den Erzring, der die geborstne Mittelsäule zusammenhielt.
     Das weiße Licht fiel auf ein apollinisch schönes Antlitz mit lachenden, hellblauen Augen; mitten auf seiner Stirn teilte sich
     das lichtblonde Haar in zwei lang fließende Lockenwellen, die rechts und links bis auf seine Schultern wallten; Mund und Nase,
     fein, fast weich geschnitten, waren von vollendeter Form, ein leichter Anflug goldhellen Bartes deckte die freundlichen Lippen
     und das leicht gespaltene Kinn; er trug nur weiße Kleider: einen Kriegsmantel von feiner Wolle, durch eine goldne Spange in
     Greifengestalt auf der rechten Schulter festgehalten, und eine römische Tunica von weicher Seide, beide mit einem Goldstreif
     durchwirkt; weiße Lederriemen festigten die Sandalen an den Füßen und reichten, kreuzweis geflochten, bis an die Knie; die
     nackten, glänzendweißen Arme umzirkten zwei breite Goldreife: und wie er, die Rechte um eine hohe Lanze geschlungen, die ihm
     zugleich als Stab und als Waffe diente, die Linke in die Hüfte gestemmt, ausruhend von dem Gang, zu seinen langsameren Weggenossen
     hinunterblickte, schien in den grauen Tempel eine jugendliche Göttergestalt aus seinen schönsten Tagen wiedereingekehrt.
    Der zweite der Ankömmlinge hatte, trotz einer allgemeinenFamilienähnlichkeit, doch einen von dem Fackelträger völlig verschiedenen Ausdruck. Er war einige Jahre älter, sein Wuchs
     war derber und breiter,– tief in den mächtigen Stiernacken hinab reichte das dicht- und kurzgelockte braune Haar,– und von
     fast riesenhafter Höhe und Stärke: in seinem Gesicht fehlte jener sonnige Schimmer, jene vertrauende Freude und Lebenshoffnung,
     welche die Züge des jüngern Bruders verklärten: statt dessen lag in seiner ganzen Erscheinung der Ausdruck von bärenhafter
     Kraft und bärenhaftem Mut: er trug eine zottige Wolfsschur, deren Rachen, wie eine Kapuze, sein Haupt umhüllte, ein schlichtes
     Wollenwams darunter, und auf der rechten Schulter eine kurze, wuchtige Keule aus dem harten Holz einer

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