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Ein Kampf um Rom

Ein Kampf um Rom

Titel: Ein Kampf um Rom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felix Dahn
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einem Engpaß die Feinde in dreifacher
     Überzahl. Viele Tausende von uns waren dem Hunger, dem Winter erlegen: zwanzigmal hatten wir vergebens versucht, jenen Paß
     zu durchbrechen. Wir wollten verzweifeln. Da kam ein Gesandter des Kaisers und bot uns Leben, Freiheit, Wein, Brot, Fleisch,–
     unter einer einzigen Bedingung: wir sollten getrennt voneinander, zu vier und vier, über das ganze Weltreich Roms zerstreut
     werden, keiner von uns mehr ein gotisch Weib freien, keiner sein Kind mehr unsreSprache und Sitte lehren dürfen, Name und Wesen der Goten sollte verschwinden, Römer sollten wir werden. Da sprang der König
     auf, rief uns zusammen und trug’s uns vor in flammender Rede und fragte zuletzt, ob wir lieber aufgeben wollten Sprache, Sitte,
     Leben unsres Volkes oder lieber mit ihm sterben? Da fuhr sein Wort in die Hunderte, die Tausende, die Hunderttausende wie
     der Waldbrand in die dürren Stämme, aufschrien sie, die wackern Männer, wie ein tausendstimmiges, brüllendes Meer, die Schwerter
     schwangen sie, auf den Engpaß stürzten sie, und weggefegt waren die Griechen, als hätten sie nie gestanden, und wir waren
     Sieger und frei.«
    Sein Auge glänzte in stolzer Erinnerung, nach einer Pause fuhr er fort: »Dies allein ist, was uns heute retten kann wie dazumal:
     fühlen erst die Goten, daß sie für jenes Höchste fechten, für den Schutz jenes geheimnisvollen Kleinods, das in Sprache und
     Sitte eines Volkes liegt wie ein Wunderborn, dann können sie lachen zu dem Haß der Griechen, zu der Tücke der Welschen. Und
     das vor allem wollt’ ich euch fragen, fest und feierlich: fühlt ihr es wie ich so klar, so ganz, so mächtig, daß diese Liebe
     zu unsrem Volk unser Höchstes ist, unser schönster Schatz, unser stärkster Schild? könnt ihr sprechen wie ich: mein Volk ist
     mir das Höchste, und alles, alles andre dagegen nichts, ihm will ich opfern, was ich bin und habe, wollt ihr das, könnt ihr
     das!«
    »Ja, das will ich, ja, das kann ich!« sprachen die vier Männer.
    »Wohl«, fuhr der Alte fort, »das ist gut. Aber Teja hat recht: nicht alle Goten fühlen das jetzt, heute schon, wie wir, und
     doch müssen es alle fühlen, wenn es helfen soll. Darum gelobet mir, von heut an unablässig euch selbst und alle unsres Volkes,
     mit denen ihr lebt und handelt, zu erfüllen mit dem Hauch dieser Stunde. Vielen, vielen hat der fremde Glanz die Augen geblendet:
     viele haben griechische Kleider angetan und römische Gedanken: sie schämen sich, Barbaren zu heißen: sie wollen vergessen
     und vergessen machen, daß sie Goten sind – wehe über die Toren! Sie haben das Herz aus ihrer Brust gerissen und wollen leben,
     sie sind wie Blätter, die sich stolz vom Stammegelöst, und der Wind wird kommen und wird sie verwehen in Schlamm und Pfützen, daß sie verfaulen: aber der Stamm wird stehen
     mitten im Sturm und wird lebendig erhalten, was treu an ihm haftet. Darum sollt ihr euer Volk wecken und mahnen überall und
     immer. Den Knaben erzählt die Sagen der Väter, von den Hunnenschlachten, von den Römersiegen: den Männern zeigt die drohende
     Gefahr und wie nur das Volkstum unser Schild: eure Schwestern ermahnt, daß sie keinen Römer umarmen und keinen Römling: eure
     Bräute, eure Weiber lehrt, daß sie alles, sich selbst und euch, opfern dem Glück der guten Goten, auf daß, wenn die Feinde
     kommen, sie finden ein starkes Volk, stolz, einig, fest, daran sie zerschellen sollen wie die Wogen am Fels. Wollt ihr mir
     dazu helfen?«
    »Ja«, sprachen sie, »das wollen wir.«
    »Ich glaube euch«, fuhr der Alte fort, »glaube eurem bloßen Wort. Nicht um euch fester zu binden – denn was bände den Falschen?
     – sondern weil ich treu hange an altem Brauch und weil besser gedeiht, was geschieht nach Sitte der Väter – folget mir.«

Zweites Kapitel
    Mit diesen Worten nahm er die Fackel von der Säule und schritt quer durch den Innenraum, die Cella des Tempels, vorüber an
     dem zerfallenen Hauptaltar, vorbei an den Postamenten der lang herabgestürzten Götterbilder nach der Hinterseite des Gebäudes,
     dem Posticum. Schweigend folgten die Geladenen dem Alten, der sie über die Stufen hinunter ins Freie führte.
    Nach einigen Schritten standen sie unter einer uralten Steineiche, deren mächtiges Geäst wie ein Dach Sturm und Regen abhielt.
     Unter diesem Baum bot sich ihnen ein seltsamer Anblick, welcher aber die gotischen Männer sofort an eine alte Sitte aus dem
     grauen Heidentum, aus

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