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Ein Kapitän von 15 Jahren

Ein Kapitän von 15 Jahren

Titel: Ein Kapitän von 15 Jahren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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Constitution und hätten auf den Märkten des centralen Afrikas gewiß einen hohen Preis erzielt. Obwohl sie entsetzlich zu leiden gehabt hatten, erkannte man sie doch mit Leichtigkeit als Angehörige jener lebenskräftigen Race, denen eine liberale Erziehung in den Schulen von Nord-Amerika schon ihren sichtbaren Stempel aufgedrückt hatte.
    Tom und seine Begleiter hatten sich also auf dem »Waldeck« nach dem Zusammenstoß allein befunden, ohne die Möglichkeit, den schwerfälligen Rumpf wieder aufzurichten oder diesen verlassen zu können, da die beiden Rettungsboote zertrümmert und über Bord gespült waren. Sie mußten also die zufällige Begegnung eines anderen Schiffes abwarten, obwohl das Wrack durch die Trift, der es folgte, immer weiter verschlagen wurde. Dieser Umstand erklärte es, daß man ihm außerhalb seines Kurses begegnet war, denn auf der Fahrt von Melbourne hätte der »Waldeck« eigentlich unter weit höheren Breiten treiben müssen.
    Während der zehn Tage zwischen der Collision und dem Erscheinen des »Pilgrim« in Sicht des verunglückten Schiffes hatten sich die fünf Schwarzen von einigen Vorräthen ernährt, die sie in der Speisekammer des Vorderdecks fanden. Da sie jedoch nicht zur Kambüse gelangen konnten, welche das Wasser vollkommen erfüllte, so fehlte ihnen jedes Mittel, ihren Durst zu stillen; so daß sie fürchterlich litten, da die Wassertonnen an Deck zerschlagen und weggerissen waren. Seit dem vorigen Tage hatten Tom und seine Begleiter vor brennendem Durst das Bewußtsein verloren, und es war wirklich die höchste Zeit, daß der »Pilgrim« zu ihrer Erlösung kam.
    So lautete mit kurzen Worten Tom’s Bericht an den Kapitän Hull. An der Wahrheitsliebe des alten Schwarzen durfte man wohl nicht zweifeln. Seine Genossen bestätigten übrigens Alles, was er gesagt, und die Umstände selbst sprachen ja schon genügend für die armen Leute.
    Ein anderes auf dem Wrack befindliches lebendes Wesen hätte wohl mit derselben Aufrichtigkeit gesprochen, wenn ihm das Wort verliehen gewesen wäre.
    Es war das der Hund, den der Anblick Negoro’s auf so auffallende Weise erregt hatte. Hier lag eine wirklich unerklärliche Antipathie eines Thieres vor.
    Dingo – so hieß der Hund – gehörte jener großen Race an, welche Neu-Holland eigenthümlich ist. Dennoch war er nicht in Australien in Besitz des Kapitäns vom »Waldeck« gekommen. Letzterer fand Dingo vor etwa zwei Jahren, vor Hunger dem Tode nahe, an der Westküste Afrikas, in der Nähe der Mündungen des Congo. Der Kapitän des »Waldeck« hatte das schöne Thier aufgenommen, welches sich nicht besonders anschloß und immer vielleicht einen früheren Herrn zu betrauern schien, von dem man es gewaltsam getrennt haben mochte, und den es unmöglich in dieser wüsten Gegend wieder finden konnte.
– S V –
diese beiden auf dem Halsbande eingravirten Buchstaben waren Alles, was auf die Vergangenheit des Thieres hinwies, die man wohl vergeblich zu entschleiern versucht hätte.
    Dingo, ein kräftiges herrliches Thier, war größer als die Pyrenäenhunde, aber ein prächtiges Exemplar jener neuholländischen Race. Wenn er sich mit zurückgelegtem Kopfe aufrichtete, erreichte er die Höhe eines Menschen. Seine Gewandtheit und Kraft ließen es glauben, daß er Jaguare und Panther wohl ohne Zögern angegriffen hätte und auch selbst vor einem Bären nicht zurückgeschreckt wäre. Mit dichtem Felle versehen, den Schweif wohl ausgebildet mit einer Quaste, ähnlich der des Löwen, und im Allgemeinen von dunkelgelber Farbe, war Dingo nur an der Schnauze durch einige weiße Flecken gezeichnet. In der Wuth konnte das Thier fürchterlich werden, und es erscheint erklärlich, daß Negoro von dem ihm zu Theil gewordenen Empfange dieses respectablen Vertreters des Hundegeschlechts nicht besonders entzückt war.
    Wenn sich Dingo auch nicht so sehr den Menschen anschloß, so konnte man ihn doch nicht bösartig nennen. Er schien vielmehr nur traurig zu sein. Der alte Tom hatte schon an Bord des »Waldeck« die Bemerkung gemacht, daß der Hund vorzüglich Schwarze nicht gern leiden mochte. Er suchte ihnen zwar nichts Böses zuzufügen, aber er floh sie, wo er konnte. Vielleicht hatte er an der afrikanischen Küste, an welcher er umherirrte, von den dortigen Eingebornen eine schlechte Behandlung erlitten. Trotzdem daß Tom und dessen Genossen ganz brave Leute waren, hatte er sich ihnen doch so gut wie nie genähert. Auch während der letzten zwölf auf dem

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