Ein Kapitän von 15 Jahren
genug, um den schwarzen Punkt auf dem Boden hinhüpfen zu sehen.
Am Fuße der Palissade traf die Manticore auf die weite Mündung eines Maulwurfbaues, der sich nach innen zu öffnete. Ohne Zögern schlüpfte sie in den unterirdischen Gang, denn es liegt in ihrer Gewohnheit, solche dunkle Wege aufzusuchen. Vetter Benedict fürchtete schon, sie nun aus den Augen zu verlieren Zu seinem freudigen Erstaunen erwies sich jene Oeffnung aber über einen halben Meter weit und bildete der Maulwurfsbau einen hinreichend großen Gang, um seinen langen, hageren Körper hineinzwängen zu können. Seine Verfolgungswuth beraubte ihn gänzlich der Ueberlegung, und er bemerkte, als er sich »begrub«, gar nicht, daß er dabei unter der Palissade hinwegkroch. Wirklich stellte der Maulwurfsbau eine Verbindung von innen nach außen dar. Binnen einer halben Minute befand sich Vetter Benedict außerhalb der Factorei. Hierüber machte er sich jedoch nicht die geringste Sorge, sondern ging gänzlich auf in der Bewunderung des eleganten Insectes, welches ihn führte. Letzteres schien jedoch vom langen Marschiren ermüdet. Seine Flügeldecken hoben sich und die Flügel spannten sich auf. Vetter Benedict merkte die Gefahr und wollte die Manticore schon in seiner hohlen Hand vorläufig gefangen setzen, als sie, frrr!… schwirrend davonflog.
Welche Verzweiflung! Und doch, weit konnte die Manticore ja fliegend nicht gelangen. Vetter Benedict erhob sich, spähte umher und stürzte ihr mit ausgestreckten, geöffneten Händen nach…
Das Insect schwebte bald wieder über seinem Kopfe, er aber erkannte davon nichts als einen großen, dunklen Punkt ohne näher bestimmbare Form.
Sollte sich die Manticore nach Beschreibung einiger launischer Kreise um das struppige Haupt Vetter Benedict’s wieder auf die Erde setzen? Alle Voraussetzungen sprachen dafür.
Zum Unglück für den bedauernswerthen Gelehrten grenzte das am Nordende der Stadt gelegene Etablissement von Alvez an einen ausgedehnten Wald, der das Gebiet von Kazonnde im Umfange mehrerer Quadratmeilen bedeckte. Erreichte die Manticore erst die Bäume und fiel es ihr etwa ein, von Zweig zu Zweig zu flattern, dann schwand die Hoffnung gänzlich, sie noch in der berühmten Blechkapsel figuriren zu sehen, deren kostbares Kleinod sie gebildet hätte.
Ach, so sollte es wirklich kommen. Die Manticore hatte sich zwar auf die Erde niedergelassen. Schnell drückte auch Vetter Benedict, erfreut über die unerwartete Aussicht, jene noch weiter beobachten zu können, das Gesicht fast auf den Boden. Die Manticore lief aber jetzt nicht, sie hüpfte mit Hilfe der Flügel in größeren Sprüngen weiter.
Erschöpft, mit blutenden Knieen und Fingern, sprang Vetter Benedict ihr nach. Die Finger gespreitzt, wandten sich seine beiden Arme nach links oder rechts, je nachdem der dunkle Punkt hier-oder dorthin hüpfte. Er machte wirklich Bewegungen auf dem glühheißen Erdboden, wie ein Schwimmer auf dem Wasser.
Vergebliches Bemühen! Immer schlossen sich seine Hände umsonst. Neckisch spielend, entschlüpfte ihm das Insect, und bald erhob es sich, unter einer kühlen Laubdecke angelangt, nachdem es Vetter Benedict’s Ohr im Vorüberstreifen mit einem intensiveren, aber nur ironisch klingenden Summen begrüßt hatte.
»Verdammt! rief Vetter Benedict noch einmal. Sie entwischt mir! Undankbare Hexapode! Du, der ich den Ehrenplatz in meinen Sammlungen bestimmt hatte. Und doch, noch geb’ ich dich nicht auf; ich folge dir, bis ich dich gefangen habet«
Der außer Fassung gebrachte Gelehrte dachte gar nicht daran, daß seine myopischen Augen ihn verhinderten, die Manticore unter den Blättern herauszufinden. Aber er war seiner nicht mehr mächtig. Die Enttäuschung, die Wuth machten ihn zum Narren. Nur sich selbst, nur sich allein hatte er diesen grausamen Mißerfolg zuzuschreiben! Hätte er sich des Insects gleich anfangs bemächtigt, ohne ihm »bei seinen unbehinderten Bewegungen« zu folgen, so wäre Alles vermieden worden, so besäße er jetzt dieses wunderbare Exemplar afrikanischer Manticoren, dessen Namen ein fabelhaftes Thier mit Menschenkopf und Löwenkörper bezeichnet.
Vetter Benedict hatte den Kopf verloren. Er bekümmerte sich nicht im Mindesten darum, daß ihm ein ganz unerwarteter Zwischenfall die Freiheit geschenkt habe. Er dachte gar nicht mehr an den Maulwurfsbau, in den er gekrochen, und der ihm einen Ausweg aus Alvez’ Etablissement geboten hatte. Er war im Walde, die Manticore aber in diesen
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