Ein Kapitän von 15 Jahren
großes Herzeleid, denn er hörte in den sengenden Strahlen der Mittagssonne eine ganze Welt von Insecten schwirren. Wohl oder übel hatte er sich jedoch in den kühlsten Winkel seiner Hütte zurückgezogen und auch ihn überwältigte fast der Schlaf bei dieser aufgezwungenen Siesta.
Da, als seine Augen sich schon halb schlossen, vernahm er ein Schwirren, eine Art unerträgliches Surren von Insecten, deren manche in der Secunde fünfzehn bis sechzehntausend Flügelschläge machen sollen, eine Angabe, welche jedoch schon die einfachsten akustischen Gesetze als weit übertrieben erscheinen lassen, da in jenem Falle ein weit höherer Ton hörbar werden müßte, als ihn irgend welche Insecten erzeugen.
»Eine Hexapode!« rief Vetter Benedict, der sofort wieder munter wurde und aus der horizontalen in die verticale Lage überging.
Daß es eine Hexapode sei, welche in der Hütte summte, unterlag wohl keinem Zweifel. Wenn Vetter Benedict einerseits sehr an Kurzsichtigkeit litt, so besaß er andererseits doch ein besonders scharfes Gehör, so daß er ein Insect von einem anderen schon an der Intensität des Summens zu unterscheiden vermochte, und das hier in Frage stehende erschien ihm gänzlich unbekannt, da dieses Geräusch nur von einem Riesen seiner Art herrühren konnte.
Mrs. Weldon saß halbschlummernd neben dem kleinen Jack. (S. 399.)
»Was für eine Hexapode mag das sein?« fragte sich Vetter Benedict.
Eifrig suchte er das Insect zu entdecken, was in Folge der Nichtbewaffnung seiner Augen sehr schwierig war, oder es an dem Schlagen seiner Flügel zu erkennen.
Es machte auf der äußersten Spitze dieses Gesichts-Appendix’ Halt. (S. 403.)
Sein Instinct als Entomolog flüsterte ihm zu, daß hier ein seltener Fang zu machen sei und daß dieses vom günstigen Zufall in seine Hütte verschlagene Insect nicht ein gewöhnliches sein könne.
Vetter Benedict erhob sich schweigend von seinem Lager. Er horchte. Ein schwacher Sonnenstrahl drang bis zu ihm. Da entdeckten seine Augen einen großen, schwarzen, hüpfenden Punkt, der nur nicht nahe genug kam, um für ihn erkennbar zu werden. Er hielt den Athem an und war entschlossen, wenn er irgendwo im Gesicht oder an den Händen einen Stich fühlte, sich nicht zu rühren, um seine Hexapode nicht zu verscheuchen.
Nach langem Hinundherfliegen setzte sich das summende Insect auf seinen Kopf. Vetter Benedict’s Mund erweiterte sich einen Augenblick zu einem Lächeln, und zu welchem glückseligen Lächeln! Er fühlte, wie das leichte Thier über seine Haare spazierte. Schon ergriff ihn das kaum widerstehliche Verlangen, mit der Hand nach jenem zu haschen; doch er beherrschte sich und that wohl daran.
»Nein, nein! dachte er; ich würde es verfehlen oder, noch schlimmer, ihm gar ein Leid zufügen! Sieh da, wie es marschirt! Es steigt abwärts. Ich fühle seine niedlichen Füße auf meinem Schädel! Das muß eine wohlgebildete Hexapode sein. Du himmlische Güte, gieb nur, daß sie zur Spitze meiner Nase herabklettert und dort ein wenig verweilt, damit ich sie sehen und vielleicht bestimmen kann, wohin sie nach Ordnung, Familie, Art oder Unterart gehört!«
So dachte Vetter Benedict. Aber der Weg war weit von seinem etwas spitzen Schädel bis zum Ende der etwas langen Nase. Und wie viele andere Wege konnte das launische Insectwählen, wie nach der Gegend der Ohren oder des Hinterhauptes, wobei es der eifrige Gelehrte im ganzen Leben nicht zu Gesicht bekommen hätte, ganz abgesehen von der Möglichkeit, daß es jeden Augenblick wieder auffliegen, die Hütte verlassen und in den blendenden Sonnenstrahlen verschwinden konnte, wo es sonst mitten im Geschwirr und Gesumm seiner Brüder und Verwandten, das lockend von draußen ertönte, sein kurzes Leben vertändelte.
Vetter Benedict verhehlte sich das Alles nicht. Nie hatte er während seiner Entomologen-Laufbahn so erwartungsvolle Minuten durchlebt. Da krabbelte eine afrikanische Hexapode von unbekannter Art, Abart oder Unterabart auf seinem Haupte herum, und er konnte sie nur unter der einzigen Bedingung zu Gesicht bekommen, daß jene sich herbeiließ, auf einen Zoll Entfernung vor seinen Augen vorüberzulaufen.
Vetter Benedict’s heißer Wunsch sollte jedoch erfüllt werden. Nachdem das Insect auf dem ziemlich struppigen Haupthaar wie auf einem wild aufgeschossenen Gebüsch umhergewandelt war, kletterte es den Stirnabhang des Gelehrten hinab, der nun wirklich Hoffnung schöpfte, daß es sich auf den
Weitere Kostenlose Bücher