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Ein Kapitän von 15 Jahren

Ein Kapitän von 15 Jahren

Titel: Ein Kapitän von 15 Jahren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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Mrs. Weldon hätte es freilich vorgezogen, mit auf dem Verdeck zu sein; Dick aber hatte sich diesem Wunsche ausdrücklich widersetzt; er wollte sie nicht ohne Noth irgend welcher Gefahr aussetzen.
    Alle Luken waren hermetisch verschlossen worden. Man durfte hoffen, daß sie auch dem Aufschlag einer größeren Wassermasse noch Widerstand leisten würden. Gaben sie unglücklicher Weise unter dem Drucke der Sturzwellen nach, so konnte das Fahrzeug leicht kentern und untergehen. Zum Glück war die Ladung so gut verstaut, daß sie, trotz der Neigung nach der einen Seite, ihren sicheren Platz innebehielt.
    Dick Sand hatte seine Ruhestunden noch weiter vermindert, so daß Mrs. Weldon fürchtete, er werde noch erkranken. Nur ihrem ernstlichen Zureden gelang es, daß er sich dann und wann einen kurzen Schlummer gönnte.
    Als er sich in der Nacht vom 13. zum 14. März ein wenig niedergelegt hatte, ereignete sich unerwartet ein neuer Zwischenfall.
    Tom und Bat befanden sich eben im Hintertheil des Schiffes, als Negoro, der sich auf diesem Theil des Decks sonst nur selten erblicken ließ, auf sie zukam, scheinbar in der Absicht, eine Unterhaltung anzuknüpfen; Tom und dessen Sohn gaben ihm jedoch keine Antwort.
    Plötzlich stürzte Negoro bei einer heftigen Bewegung des Schiffes nieder und wäre wohl in’s Meer geschleudert worden, hätte er sich nicht am Compaßhäuschen festgehalten.
    Tom stieß aus Furcht, daß die Boussole Schaden gelitten habe, einen lauten Schrei aus.
    Dick Sand, welcher immer nur in halbem Schlummer lag, hörte denselben, eilte auf das Deck und lief nach dem Hintertheile.
    Negoro hatte sich schon wieder erhoben, hielt aber das Eisenstück in der Hand, das er unter dem Compaß schnell weggenommen, und versteckte dasselbe, bevor Dick Sand es wahrnahm.
    Lag es wohl in Negoro’s Interesse, daß die Magnetnadel jetzt wieder richtig wies? Ja wohl, denn die herrschenden Südwestwinde kamen ihm vortrefflich zu statten…
    »Was giebt es hier? fragte der Leichtmatrose.
    – Dieser unselige Koch ist eben auf die Boussole gefallen!« berichtete Tom.
    Dick Sand, den diese Worte nicht wenig beunruhigten, beugte sich über das Compaßhäuschen… es war unversehrt und der durch die Seitenlampen erhellte Compaß schwebte noch immer in den beiden concentrischen Ringen.
    Der junge Mann athmete erleichtert auf. Zerbrach diese einzige an Bord befindliche Boussole, so wäre das ja ein unersetzlicher Verlust gewesen.
    Eines aber hatte Dick Sand nicht bemerken können, daß die Nadel, nämlich nach Wegnahme jenes Eisenstückes, jetzt wieder in normaler Richtung spielte und genau nach dem magnetischen Nordpol zeigte.
    Konnte man Negoro auch gerade nicht verantwortlich machen für einen unglücklichen Fall, der ja völlig unfreiwillig erschien, so hatte Dick Sand doch alle Ursache, sich darüber zu verwundern, daß jener sich um diese Zeit überhaupt auf dem Hinterdeck aufhielt.
    »Was macht Ihr hier? fragte er ihn.
    – Was mir beliebt, antwortete Negoro.
    – Was sagt Ihr… rief Dick Sand, der seinen aufwallenden Zorn nur mit Mühe zurückhalten konnte.
    – Ich sage nur, antwortete der Küchenmeister, daß es keine Vorschrift giebt, welche es verböte, auf dem Hinterdeck umherzugehen.
     

    Der Leichtmatrose zog einen Revolver aus der Tasche. (S. 130.)
     
    – Gut, doch diese Vorschrift ertheile ich hiermit, erwiderte Dick Sand, und verbiete Euch ein für allemal, diesen Theil des Schiffes zu betreten.
    – Sehr schön!« entgegnete der Küchenmeister.
    Unwillkürlich machte er, obwohl er sich sonst so vollkommen beherrschte, eine drohende Bewegung.
    Der Leichtmatrose zog einen Revolver aus der Tasche und richtete ihn auf Negoro.
    »Vergeßt nicht, Negoro, sagte er, daß diese Waffe mich niemals verläßt, und daß ich Euch bei der ersten Insubordination den Schädel zerschmettere!«
    In diesem Augenblicke fühlte sich Negoro unwiderstehlich auf das Verdeck niedergedrückt.
    Herkules hatte nur seine wuchtige Hand auf seine Schulter gelegt.
    »Kapitän Sand, begann der Riese, wünschen Sie, daß ich den Schurken über Bord werfe? Das wäre ein leckerer Bissen für die Fische, die ja nicht so wählerisch sind!
    – Noch nicht!« antwortete Dick Sand.
    Negoro erhob sich wieder, als die Hand des Negers nicht mehr auf ihm lastete.
    »Verdammter Schwarzer, murmelte er, als er an Herkules vorüberschlich, das sollst Du mir noch entgelten!«
    Inzwischen wechselte der Wind, oder schien wenigstens um fünfundvierzig Grade

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